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Dissertation Neopolis

Bosnien und die Türkei: Die Verdichtung einer kommunikativen Figuration und die Wende der öffentlichen Meinungen seit 1992

Zusammenfassung:

Der Gegenstand dieser Dissertationsschrift ist eine diskursive Wende in Südosteuropa und Anatolien, die zugleich Teil der größeren, geopolitischen und medialen Wende ab Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre ist. Diese ist im regionalen Kontext besonders von drei Entwicklungen markiert: erstens durch den jugoslawischen Staatszerfall und insbesondere den Bosnienkrieg von 1992-1995, der von bosniakischen Muslimen des Balkans sowie ihren zwischen den 1950er-1970er Jahren in die Turkei ausgewanderten Verwandten und Glaubensgenossen (Muhacir) als traumatischer, Existenz bedrohender Einschnitt erinnert wird. Zweitens kam es in der Türkei zum Aufstieg des politischen Islams mit der bis heute herrschenden Partei AKP als bestimmender, politischer und neopopulistischer Dynamik mit grenzüberschreitender Strahlkraft. Drittens schließlich sind die Auswirkungen der Digitalen Revolution und der grenzübergreifenden, internetbasierten Kommunikationsmöglichkeiten bestimmend.

Nach dem Eintreten des fragilen Friedens auf dem Balkan ab Anfang der 2000er Jahre sowie durch die gleichzeitig immer weiter fortschreitende Medialisierung haben sich die Möglichkeiten grenzübergreifender Aktionen für alle Diskursteilnehmer grundlegend verändert und erweitert. Dadurch hat sich zwischen Bosnien-Herzegowina und der Türkei eine kommunikative Figuration entfaltet und verdichtet, die den Raum der öffentlichen Meinungen stark verändert hat. Als kommunikative Akteure der Figuration kommen in dieser Arbeit bosniakische Muslime des Balkans, ihre bosniakisch-türkischen Verwandten aus den zwei Istanbuler Stadtbezirken Bayrampaşa und Pendik (und anderer Orte), sowie Vertreter staatlicher und AKP-naher, türkischer Öffentlicher Diplomatie zu Wort. Vertreter des AKP-Regimes sind dabei von einem globalen Sendungsbewusstsein motiviert, in Zuge dessen sie sich zum einen als Sicherheitsgaranten der Muslime des Balkans gerieren, zum anderen aber auch im Sinne ihres eigenen Zivilisations- und Kulturverständnisses (Medeniyetçilik) tätig sind.

Die unterschiedlichen, oft widersprüchlichen Texte aus Life-Stories, medialer Produktionen und öffentlicher Sprechakte werden über einen Mehr-Methoden-Ansatz (Multi-Method Research / MMR) erfasst und über eine mehrsprachige Tropen- bzw. Metaphernanalyse ausgewertet. So können Handlungslogik, Motivationen, Interessen und zentrale Konflikte der unterschiedlichen Diskursteilnehmer herausgearbeitet werden. Andererseits kann die Arbeit auch zu einem besseren allgemeinen Verständnis neopopulistischer Diskurse beitragen, die unter Bedingungen echter oder erzeugter, kollektiver Unsicherheit über die mediale Mobilisierung starker Emotionen und Affekte charakteristisch für die Gegenwart sind.

Schlagwörter

Bosnien-Herzegowina | Türkei | Istanbul | Sarajevo | Sandžak | Migration | Bosniaken | Muhacir | Muhadžir | Kulturdiplomatie | Public Diplomacy | Öffentliche Diplomatie | Türkische Außenpolitik | AKP | SDA | Geopolitische Wende | Digitale Revolution | Kommunikative Figuration | Multi-Method-Research | Politischer Islam | Metaphernanalyse | Neopopulismus

Hintergrund und Vorarbeit

Die Forschungsfrage dieses Dissertationsprojekts ist ursprünglich der Beschäftigung mit dem Thema der muslimischen Migrationen aus dem ehemaligen Jugoslawien in die Türkei entwachsen, welche (je nach zeitlicher, politisch-sozialer und wirtschaftlicher Rahmung) teils als erzwungene, teils als Kettenmigrationen gedeutet werden können. Die Fragestellung hat sich im Prozess ihrer Operationalisierung während und nach den Feldstudienaufenthalte in der Türkei und auf dem Balkan zeitlich, methodisch, räumlich und in ihren theoretischen Bezügen so stark verändert, dass diese Arbeit schließlich zu einer multidisziplinären Studie über einen Prozess der geopolitischen, medialen und institutionellen Wende geworden ist. Im Mittelpunkt dieser Wende steht die Frage, wie es zu der diskursiven Verdichtung in den öffentlichen Meinungen zwischen dem Westlichen Balkan und der Türkei gekommen ist, die man auch als ‚Brückendiskurs‘ bezeichnen könnte: das erschöpfend verwendete Symbol der Brücke ist die unübersehbare, allgegenwärtige Trope, die in jedem Winkel des Diskurses auftaucht. Diejenigen, die diese diskursive Brücke immer wieder (re-)produzieren, erfasse ich in Anlehnung an Norbert Elias’ Figurationssoziologie als bosniakisch-türkische kommunikative Figuration (genauer unter 6).

Eines ist jedoch an dieser Fragestellung von Anfang an gleich geblieben: das Thema des Fortgangs „der Türkei“ vom Balkan, in dessen Zuge massenhaft europäische Muslime in die heutige Türkei ausgewandert sind oder vertrieben worden waren, spielt in diesem Wende-Diskurs eine ganz zentrale Rolle. Die Dynamik der Wende – grob zusammengefasst und figurativ formuliert – besteht nicht nur im Motiv des Fortgangs, sondern auch der Rückkehr. Fortgang ist dabei einerseits wörtlich als Emigration (Aussiedlung, Vertreibung) zu verstehen, andererseits aber auch in der figurativen Rede öffentlicher Meinungen und Phrasen auf dem Balkan zu finden, wo es mit Phrasen wie dem „Türkischen Grab“ (Tursko groblje) oder dem „Türkischen Pflaster“ (Turska kaldrma) zu einer Abwertung der osmanischen Vergangenheit und ihrer im öffentlichen Raum sichtbaren Hinterlassenschaften gekommen ist. Unter Rückkehr hingegen ist die Präsenz und Sichtbarwerdung türkischer Akteure unterschiedlicher Couleur auf dem Balkan zu verstehen, die an der symbolischen und baulichen Aufwertung der osmanischen (bzw. „türkischen“) Vergangenheit arbeiten: diese renovieren zum Beispiel osmanische („türkische“) Grabmäler und bauen moderne Straßen.

Die Dissertation setzt thematisch fast genau dort an, wo meine Magisterarbeit abschloss. Für meine Magisterarbeit aus dem Jahr 2011 hatte ich zwei Diskursausschnitte aus dem Ersten Jugoslawien und der frühen Republik Türkei der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts untersucht und miteinander verglichen, die schließlich in einem einvernehmlichen, bilateralen Abkommen jugoslawischer und türkischer Spitzendiplomaten zur geplanten Aussiedlung von 200.000 Muslimen aus dem sogenannten Südserbien (Južna Srbija) hätten führen sollen.1 In diesem Abkommen aus dem Jahr 1938 spiegelten sich die Interessen von Vertretern beider Staaten wieder. Obwohl das Abkommen schließlich nicht umgesetzt wurde, konnte ich in der vorliegenden Dissertation dennoch auf wichtige Erkenntnisse dieser diskursanalytischen Vorarbeit aufbauen: denn trotz des „Scheiterns“ des Aussiedlungsabkommens von 1938, und trotz der großen politischen Veränderungen während des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit, sollten die Gebiete des damals sogenannten Südserbiens — nämlich der Sandžak von Novi Pazar zwischen dem heutigen Montenegro und Serbien, das Kosovo und die heutige Republik Nordmazedonien — auch in den Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stark von Abwanderung bosniakischer (und anderer) Muslime in die Türkei betroffen sein.2

Im Jahr 1953 kam es mit dem schriftlich nicht dokumentierten, sogenannten Gentlemen – Agreement zwischen der Regierung İnönü und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien (FNRJ/SFRJ)3 sogar zu einer Wiederbelebung des bilateralen Versuchs, die Aussiedlung von Muslimen aus Jugoslawien in die Türkei gesetzlich zu regeln. Außerdem finden sich zahlreiche weitere Diskurselemente der Zwischenkriegszeit auch in der Nachkriegszeit wieder.4 Das 1934 verabschiedete türkische Besiedlungsgesetzes (İskan kanunu No. 2510) war zum Beispiel bis 2006 wirksam und für die gesamte Einwanderung bis in die jüngste Zeit maßgebend.5 In dem Gesetz werden muslimische Flüchtlinge und Immigranten Muhacir genannt, was aber auch eine häufige Selbstbezeichnung ist, weshalb dieser Begriff fortlaufend für muslimische Migrantinnen und Einwanderer in der Türkei verwendet wird.

Doch im Gegensatz zur Magisterarbeit, in der ich ausschließlich repräsentative Texte untersuchen und mit hegemonischen, nationalistischen Narrativen beider Länder kontextualisieren konnte, interessierte ich mich in meinem Dissertationsprojekt von Anfang besonders für die Perspektive derjenigen, für die diese Migrationsbewegungen als Primärerfahrung am relevantesten waren: nämlich die Ausgewanderten selbst. Um einen ersten Eindruck von den Menschen zu gewinnen, die zwischen den 1950er und 1970er Jahren ausgewandert waren, wo sie lebten und wie sie sich organisierten, waren bereits im Internet kursierende Zeitungsartikel, Profile und Gruppen in Online Social Networks (OSN) hilfreich. Dadurch konnte ich bereits vor meiner ersten Feldstudienreise nach Istanbul und Izmir im Frühjahr 2014 beobachten, dass bosniakische Vereine präsent und aktiv waren.

Feldstudien

Eine erste Feldstudienreise brachte mich von März bis Mai 2014 nach Istanbul und Izmir, wo ich das erste Mal Muhacir kennengelernt habe, die in der Türkei seit Anfang der 1990er Jahre zahlreiche Vereine (Dernek) gegründet haben, die sich dem Engagement um Kultur und Hilfe bzw. Solidarität verschrieben haben. Dies geht bereits aus ihren Bezeichnungen hervor: die bosniakischen Vereine in Istanbul und Izmir tragen grundsätzlich die Attribute Helfen (Yardımlaşma) bzw. Solidarität (Dayanışma) und Kultur (Kültür) im Namen. Dank des Internets und der neuen Möglichkeiten, Aktivitäten auch aus der Ferne über die OSN zu verfolgen, konnte ich etwa im Frühjahr 2014 beobachten, wie während der Flutkatastrophe, von der der gesamte sogenannte Westliche Balkan betroffen war, die Derneks aus der Türkei ihren Verwandten halfen.6

Gleichzeitig ließ sich über Desktop-Recherche, OSN und Neue Nachrichten beobachten, dass staatliche türkische Akteure ebenso halfen und aktiv waren, wobei es in diesen Nachrichten mitunter gar nicht ohne weiteres klar war, ob es sich bei den Akteuren um Regierungsvertreter oder zivilgesellschaftliche Akteure aus dem Umfeld der Derneks handelte: ein Beispiel dafür ist eine Nachricht aus dem Juni 2014, nach dem Höhepunkt der Flutkatastrophe, in der Mehmet Müezzinoğlu, der damalige Gesundheitsminister der herrschenden Partei AKP, auf einem Treffen der Gruppe Plattform der Freunde des Sandžaks (Sancak Dostları Platformu) im westanatolischen Manisa über das Helfen der Türkei spricht und dabei gleichzeitig Wahlkampfunterstützung für Recep Tayyip Erdoğan macht.7 Eine Helferin fehlte dabei nicht: nämlich das Türkische Präsidium für Internationale Kooperation und Koordination (Türk İşbirliği ve Koordinasyon Ajansı Başkanlığı, fortan: TİKA), welches noch vor den Yunus-Emre-Kulturinstituten (Yunus Emre Enstitüsü, fortan: YEE) am sichtbarsten unter allen türkischen Institutionen auf dem Balkan ist — wenn man von Tourismus als Institution einmal absieht.8 Die beiden grundsätzlichen, miteinander verwobenen Aktionsaspekte des Helfens und der Kulturarbeit der türkischen Akteure werden an diesen beiden großen Institutionen bereits deutlich.

Oft verwenden regierungsnahe Vertreter das gleiche Vokabular, die gleichen Themen und die gleichen Symbole und figurativen Tropen wie Vertreter der Derneks, deren Mitglieder ihrerseits sich oft nicht als Parteigänger der herrschenden Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung bzw. Entwicklung (Adalet ve Kalkınma Partisi, fortan: AKP) bezeichnen. Das prominenteste von allen Akteuren verwendete Symbol, die Brücke, wurde bereits genannt. Weitere Nachforschungen ergaben, dass beide Gruppen von Akteuren aus der Türkei nicht nur während der Flutkatastrophe gleichzeitig aktiv waren und halfen, sondern auch außerhalb des unmittelbaren Notstands.

Ein besonders prominentes Beispiel des Helfens und Beistehens bietet jedes Jahr am 11. Juli das Gedenken an den Genozid an den bosnischen Muslimen (Bosniaken) im Jahr 1995. Dieses Thema wird unter dem Motto Lasst uns nicht vergessen, und lasst uns nicht vergessen lassen (Unutmayalım, Unutturmayalım) sowohl von Dernek-Vertretern in die Öffentlichkeit getragen, als auch von Vertretern der offiziellen Türkei.9 In diesem Zusammenhang taucht auch sehr häufig das Konterfei des bosniakisch-bosnischen Präsidenten der Kriegszeit auf, Alija Izetbegovićs, um den sowohl unter den Muhacir als auch unter Vertretern der offiziellen Türkei, unter Angehörigen der herrschenden Partei, sowie in anderen islamistischen Milieus ein ausgeprägter Personenkult betrieben wird.

Der 2003 verstorbene Alija Izetbegović ist in Bosnien-Herzegowina (fortan BiH) eine kontroverse Figur, besonders unter säkularen Bosniakinnen.10 Alija Izetbegović war Mitglied der Jungen Muslime (Mladi Muslimani), Intellektueller, Gründungsmitglied und Erster Vorsitzender der Partei der demokratischen Aktion (Stranka demokratske akcije, fortan: SDA), die als Partnerpartei der AKP gilt. Seit dem Beginn meiner Feldstudien im Jahr 2014 ist Alija Izetbegovićs Sohn Bakir Izetbegović Erster Vorsitzender der SDA und pflegt eine öffentlich immer wieder inszenierte Nähe zum Führer der AKP, Recep Tayyip Erdoğan, der sich wiederum ständig auf Alija Izetbegović bezieht und zum Ausbau des Personenkults enorm beigetragen hat. Der Personenkult um Alija Izetbegović in AKP-Kreisen (aber auch unter den Muhacir) wird von SDA-Anhängerinnen und islamisch ausgerichteten Akteurinnen mit einem Personenkult um Recep Tayyip Erdoğan erwidert, begleitet von lautem Schweigen zur ausländischen Kritik am autoritären Führungsstil des AKP-Führers. Hier wird bereits ein immer wieder anzutreffendes, kommunikatives Charakteristikum der Figuration und ihrer Öffentlichkeit deutlich: Die Figur Alija Izetbegović wird zwar von allen hier aufgeführten Akteurinnen verwendet. Vielen der bosniakischen Muhacir in Istanbul käme es aber nicht in den Sinn, die AKP zu wählen und ihren von ihrer Verwandtschaft auf dem Balkan teils wie einen Popstar gefeierten Führer Recep Tayyip Erdoğan zu unterstützen.

Bei meiner zweiten, zweimonatigen Forschungsreise zwischen Sarajevo und Skopje im Spätherbst 2014 habe ich im Memleket – dem Herkunfts- bzw. Heimatgebiet der Muhacir – Familien und Namen aus Istanbul getroffen, die von den zahlreichen Verbindungen zwischen Ausgewanderten und ihren Herkunftsorten zeugen. Sie nutzen die vereinfachten Reisemöglichkeiten und die neue räumliche Nähe: ob per Flugzeug, ob durch die täglichen und günstigen Busverbindungen zwischen Istanbul-Bayrampaşa, Pendik und dem Sandžak — um ihre Verwandten zu besuchen, in Ortschaften zu investieren, Gebäude zu renovieren oder anderweitig kulturell aktiv zu werden. Sehr viel sichtbarer als diese Aktivitäten waren aber diejenigen der offiziellen Türkei. In Gesprächen mit unterschiedlichsten Personen zwischen Bosnien und dem damaligen Mazedonien (FYROM) konnte ich feststellen, dass die unübersehbare Anwesenheit offizieller türkischer Helfer, Kulturdiplomaten, aber auch und ganz besonders die populärkulturellen TV-Serien, erhebliche Auswirkungen auf die Produktion öffentlicher Meinungen hatten: teilweise lösten sie Kritik und Kontroversen aus, teilweise wurden sie begrüßt. Deshalb war die Fragestellung naheliegend, wie die unterschiedlichsten Akteursgruppen — bosniakische Muhacir vom Balkan in der Türkei und ihre Derneks einerseits, Vertreter der offiziellen Türkei andererseits, sowie öffentliche Meinungen des Balkans und der Türkei — miteinander korrelierten.

Forschungsfragen

Es scheint zunächst auf der Hand zu liegen, dass das Helfen der offiziellen, während meiner Feldstudien als prosperierend geltenden Türkei, sich positiv auf die öffentlichen Meinungen des Balkans auszuwirken hätte. Tatsächlich waren in der Öffentlichkeit von Städten wie Sarajevo Liebesbekundungen an die Türkei, zwischen der Türkei und Bosnien und anderen Orten, nicht nur in den Internetportalen, auf Fanseiten begeisterter Serienfans, in einschlägigen Gruppen der OSN, in den Tageszeitungen und in Gesprächen anzutreffen: allerorten an den Marktständen der Meinungsmärkte der Innenstädte offenbarten sich bosnischerseits turkophile, türkischerseits balkanophile öffentliche Meinungen, zum Beispiel in der Symbolik von Fan-Artikeln. Der noch junge bosnisch-türkische Tourismus war ein unübersehbarer, wichtiger Vektor in der Produktion bosniakisch-türkischer öffentlicher Meinungen, weshalb er eigens Aufmerksamkeit verlangt.

Wer auf dem Balkan eine Stadt bereist, sucht mit allergrößter Wahrscheinlichkeit die Čaršija (Türkisch: Çarşı) auf, wie die osmanischen Altstadtkerne und alten Marktzentren in Sarajevo, Skopje, Novi Pazar und in anderen Städten genannt werden. Diese werden auch von der Tourismusindustrie gezielt vermarktet, weil pittoreske Altstädte, wie überall im traditionellen Tourismus des 20. und 21. Jahrhunderts in Europa, als am sehenswertesten gelten. In der Baščaršija (Hauptmarkt), wie die in der gesamten Jugosphäre11 bekannten Čaršija in Sarajevo bezeichnet wird, wurden während meiner Feldstudien neben allerlei religiösen Devotionalien, Olympiade-1948-Symbolen und T-Shirts, verzierten und gravierten Geschosshülsen aus dem Krieg, den üblichen Webteppichen, Kaffeesets, Tüchern und Klamotten aus indischer Produktion, orientalisierenden Messinggefäßen (häufig Made in Turkey), Postkarten und Kühlschrankmagneten besonders auffällig Schals mit der Aufschrift „Osmanische Enkel“ (Osmanlı Torunu) und mit dem Symbol eines Herzens verkauft. Das Herz war in beider Länder Flaggenfarben in eine bosnische und in eine türkische Hälfte geteilt (Abb. 1).

Im Stadtzentrum Skopjes, wo seit jeher neben Mazedonisch, Albanisch und Romani (sowie anderen Sprachen)12 auch Türkisch gesprochen wird, konnte der Öffentlichkeit in jenem Teil des Zentrums, das der Alten Čaršija (Stara Čaršija) gegenüberliegt, die Anwesenheit der Türkei durch die zahlreichen Werbetafeln der staatlichen türkischen Halkbank, sowie durch den inzwischen nicht mehr dort befindlichen Verwaltungssitz des Yahya-Kemal-Colleges, unmöglich entgehen (Abb. 2).13 In der Stara Čaršija auf dem anderen Ufer des Vardars, wo ich mich mit einem türkischsprachigen Goldhändler über die Aktivitäten großer türkischer Bauholdings wie ENKA oder Cevahir unterhalten habe, fand sich sogar Wahlkampfwerbung der türkischen Partei AKP (Abb. 3), die sich offenbar an türkische Staatsbürger in Nordmazedonien richtete. Von den vielen Bautätigkeiten, insbesondere im Bereich der osmanischen und religiösen Bauwerke, die von türkischen Holdings und regierungsnahen Institutionen renoviert oder wiederaufgebaut werden, wird noch ausführlicher die Rede sein, und so sei als letzter Eindruck hier ein Bild (Abb. 4) einer Werbung für die türkische Bauholding Cevahir vom Stadtrand der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje wiedergegeben. Das Bild verdeutlicht, dass sich die Tätigkeiten türkischer Akteure keineswegs auf ein Feld begrenzen lässt, das einzig und allein Bezug auf die osmanische Vergangenheit oder Religion nimmt: das Bauprojekt Sky City war für Luxuswohnungen, eine Shopping Mall und Geschäftsräume vorgesehen und stellt eine wichtige Investition der Holding dar, die wie eine wachsende Zahl türkischer Holdings der der herrschenden Partei AKP nahesteht. Der gesamte Bausektor stellt(e) einen Hauptpfeiler des türkischen Wirtschaftswachstums dar.14

All diese Tätigkeiten sind in der Öffentlichkeit der Balkan-Čaršijen gut sichtbar, wobei die Čaršija durch den neuen Tourismus nicht nur einen lokalen, einheimischen, sondern auch einen gemischten, kosmopolitischen Meinungsmarkt darstellt. Als „pictures in our heads“, mit denen der US-amerikanische Journalist Walter Lippmann Stereotypen verglichen hat, die auf die öffentliche Meinung einwirken, sind diese und zahlreiche weitere, öffentlich sichtbare bauliche sowie (populär-)kulturelle, mediale Bild-Produktionen — zumeist unter dem Dach einer der vielen Holdings der Türkei — aber nicht nur an und für sich beachtenswert.15 Für die Öffentlichkeiten des Balkans, aber auch für Außenstehende, die mit dem Westlichen Balkan aus der Zeit vor dieser baulichen und textuellen Verdichtung unter türkischen Vorzeichen vertraut sind, stellen sie außerdem einen Kontrast dar: im Gegensatz zu anderen westlichen und globalen (japanischen, indonesischen, malayischen, arabischen u.a.) Investoren, Helfern und populärkulturellen Textproduzentinnen gab es ein vergleichbares, sichtbares Engagement türkischer Akteure vor dem Aufstieg der AKP nicht. Das gilt insbesondere für die Zeit nach den Kriegen der 1990er Jahre, da die Öffentlichkeit besonders im stark kriegszerstörten Bosnien-Herzegowina (und auch Kosovo) von Akteuren der sogenannten Internationale Gemeinschaft (Međunarodna Zajednica) geprägt war. Im Verhältnis zwischen Intervenierenden und Intervenierten, sogenannten Internationals und Locals, traten in der Phase des Peacebuildings kaum türkische Akteure in Erscheinung — abgesehen von den türkischen Soldaten der SFOR.16 Wie in Kapitel 3.2 gezeigt wird, waren viele türkische „Helfer-Institutionen“ damals noch gar nicht gegründet.17

Bei diesen Aktivitäten handelt es sich also einerseits um etwas völlig Neues. Dennoch war während meiner Feldstudien in den öffentlichen Meinungen des Balkans immer wieder zu hören und zu lesen, „die Türkei“ sei auf den Balkan „zurückgekehrt“. Es sei aber nicht nur die Türkei zurückgekehrt; es war und ist auch immer wieder die Rede von einer „Rückkehr der Geschichte“ bzw. von „Neo-Osmanismus“. Unter dem Titel „Neo-Osmanismus. Die Rückkehr der Türkei auf den Balkan“ hat der serbische Orientalist und ehemalige Botschafter in der Türkei diese zwei Aspekte der figurativen Rückkehr bereits 2010 formuliert und damit eine balkanweite Kontroverse in der Öffentlichkeit ausgelöst — ein Jahr nach der Eröffnung des ersten Yunus-Emre-Instituts (fortan auch: YEE) und im selben Jahr der Erstausstrahlung einer türkischen TV-Serie in den Jezik*-Gebieten.18 Doch wenn von einer Rückkehr der Türkei die Rede ist, ist dieser logischerweise ihre vorangegangene Anwesenheit und ihr Fortgang inhärent.

Genau in dieser auseinanderstrebenden Bewegungsmetaphorik steckt eine diskursive Wende, die immer wieder produziert wird; diese Wende von figurativem Fortgang zu figurativer Rückkehr — denn nur ein geringer Teil der Ausgewanderten Muhacir kehrte während meiner Feldstudien physisch „wirklich“ zurück — steht am Anfang des in dieser Arbeit beschriebenen Verlaufs einer diskursiven Verdichtung. Doch inwiefern haben die Migrationen in die Türkei — als sehr reale oder wörtliche „Fortgänge“ — mit der figurativen Rückkehr der Türkei zu tun? Die türkische Politikwissenschaftlerin Nurcan Özgür Baklacıoğlu stellt dazu in ihrem Resümee eines Aufsatzes über die Bedeutung der Auswanderung aus dem ehemaligen Jugoslawien von 2015 fest, dass die durch Flucht entstandenen Verwandtschaftsbeziehungen geradezu den Grundstein für die gegenwärtige türkische Außenpolitik bildeten:

Nachdem die Migranten, die alle Formen von Gewalt durch Nationalismus, Rassismus, nationaler Unsicherheit und Verfolgungswahn auf sich geladen (sırtlanan) und über ein Jahrhundert hinweg die Rolle einer zuverlässigen Brücke der Balkanpolitik der Türkei aufrecht erhalten haben, haben sie den legitimen (meşru) Grundstein für Ankaras historischen, kulturellen und politischen Einfluss in Bezug auf die Region gelegt. Die bestehenden Verwandtschaftsnetzwerke zwischen den Migranten (in der Türkei, Anm. TS) und den Communities (topluluklar) in den Balkanländern haben in der Region das Fundament für die Ausweitung des auf dem Diskurs über das osmanische Erbe und auf den Verwandtschaftsgemeinschaften beruhenden, transnationalen Einflussraums der Türkei (egemenlik alanı) (transnationale Wahlen, multiple Staatsangehörigkeiten, Gemeindepartnerschaften, Schulen, Vereine, etc.) sowie für die Implementierung politischer Maßnahmen in dieser Richtung gelegt.19

Baklacıoğlu formuliert also einen direkten Zusammenhang zwischen den Migrationen der Vergangenheit und dem kultur- und außenpolitischen Engagement der Türkei der letzten Jahre.20 Um zu einer Einschätzung zu gelangen, wie erfolgreich diese Rückkehr ist, wie sie ankommt und welche Auswirkungen sie auf die Öffentlichkeit hat, sind vordergründig öffentliche Meinungen von Interesse, von denen bereits die Rede war. Auf Jezik* gibt es dafür die Phrase „Was die Čaršija sagt“ (šta čaršija kaže).21 Die Čaršija spricht in Phrasen, Stereotypen, Gemeinplätzen und anderen öffentlichen Meinungen, die hier deshalb ermittelt werden sollen. Dahinter stehen folgende Fragen:

  • Welche Interessen verfolgen die unterschiedlichen Diskursteilnehmerinnen, die in groben Zügen als drei Gruppen bereits genannt wurden?
  • Wie blicken diejenigen auf die Rückkehr der Türkei auf den Balkan, die im Gegensatz zur abstrakten Metonymie „die Türkei“ persönlich oder als Nachfahren von Muslimen (und bei Ankunft bereits als Türken) vom Balkan in die Türkei fortgegangen waren?
  • Wie wird diese Rückkehr in Gestalt von Bautätigkeiten und Textproduktion in den Öffentlichkeiten des Balkans wahrgenommen, und welcher Wert wird diesen Tätigkeiten beigemessen? Können sie den Raum aufwerten bzw. gentrifizieren?
  • Wer und welche Interessen stehen hinter den institutionalisierten Akteuren der offiziellen Türkei, und zu welchem Zweck sind Akteure gentrifizierend tätig?
  • Wie „denken“ diese Institutionen?
  • Wie verstehen sich diese Akteure eigentlich untereinander — da sie in vielen Fällen unterschiedliche Sprachen sprechen, unterschiedlich sozialisiert sind und unter den Symbolen der symbolträchtigen Sprache unter Umständen etwas ganz unterschiedliches verstehen?

Theorien und Methoden

Um zu ermitteln, was diese vielstimmige Balkan-Čaršija mit ihren einheimischen und internationalen (türkischen) Akteur*innen zu alldem sagt — und was andererseits in den bosniakischen Nachbarschaften (Mahalle) in Istanbul dazu gemeint und gedacht wird, habe ich den soziologischen Begriff der Figuration erweitert und operationalisiert.

Laut Norbert Elias kann man den Begriff der Figuration auf eine kleine Gruppe von vier Personen, die an einem Tisch sitzen und mit einander Karten spielen, ebenso beziehen wie auf große Gruppen — wie ganze Nationen: Man kann ihn auf relativ kleine Gruppen ebenso anwenden wie auf Gesellschaften, die Tausende oder Millionen interdependenter Menschen miteinander bilden. Lehrer und Schüler in einer Klasse, Arzt und Patienten in einer therapeutischen Gruppe, Wirtshausgäste am Stammtisch, Kinder im Kindergarten u.v.a.m.: sie alle bilden relativ überschaubare Figurationen miteinander. Doch Figurationen bilden auch Bewohner eines Dorfes, einer Großstadt oder einer Nation, obgleich in diesem Falle die Figuration deswegen nicht direkt wahrnehmbar sein muss, weil die Interdependenzketten, die die Menschen hier aneinander binden, sehr viel länger, differenzierter und subtiler sind.22

Die Figurationstheorie ist gleichzeitig eine Machttheorie: wie in Hannah Arendts politischem Denken wird das Inter-Esse — das Zwischen-den-Menschen (hier: zwischen dem Balkan und Anatolien) — hier als eigentliche Macht im Elias’schen Sinn verstanden.23 Norbert Elias hat unter Figurationen ein prozessuales Netz menschlicher Interdependenzen verstanden, die gemeinsam Macht bilden. Er hat stets die Prozesshaftigkeit menschlicher Interdependenzen betont, was durch die entgegengesetzte Tendenz, stattdessen Zustände zu beschreiben, häufig vernachlässigt worden sei.24 Diese Neigung zu statischen Konzepten ist auch in der Problematik vor allem älterer, nationaler Historiographien wiederzufinden, Staaten — und man beachte die Etymologie des Wortes Staat, herkommend von status (stehend) — den Vorzug zu geben vor Prozessen, Migrationen, Verwobenheiten und anderweitigen, angeblichen Abweichungen von einem wie auch immer vorgestellten, statischen Normalzustand25; diese Tendenz hat Elias auch als Zustandsreduktion bezeichnet, die schon in den (westlichen) Sprachen angelegt sei:

Our languages are constructed in such a way that we can often only express constant movement or constant change in ways which imply that it has the character of an isolated object at rest, and then, almost as an afterthought, adding a verb which expresses the fact that the thing with this character is now changing. For example, standing by a river we see the perpetual flowing of the water. But to grasp it conceptually, and to communicate it to others, we do not think and say, ‚look at the perpetual flowing of the water‘; we say, ‚look how fast the river is flowing‘. We say, ‚the wind is blowing‘, as if the wind were actually a thing at rest which, at a given point in time, begins to move and blow. We speak as if the wind were separate from its blowing, as if a wind could exist which did not blow. … This reduction of processes to static conditions, we shall call ‚process-reduction‘ for short … (Elias 2012b: 106-107)26

In der bosniakisch-türkischen Figuration ist alles prozessual — angefangen bei der Sprache, deren Erfassung am Anfang jeder geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Arbeit steht, ganz zu schweigen von den Begriffen der Wende und der Verdichtung, die per se als nichts anderes als Prozesse zu verstehen sind. Wenn von einer bosniakisch-türkischen kommunikativen Figuration die Rede ist, darf die oft kitschig wirkende Sprache einiger der wortmächtigsten Akteurinnen aus dem Umfeld der offiziellen Kulturdiplomatie, die permanent von „Liebe“, „Geschwisterschaft“, „geöffneten“ oder „eroberten Herzen“ und dergleichen mehr sprechen, nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich nicht um einen einmütigen, konfliktfreien Diskurs vieler unterschiedlicher Menschen handelt, der auf prinzipieller Übereinstimmung der Meinungen Aller beruhen würde. Wie zu sehen sein wird, bestehen große Konflikte unter den verschiedenen „Teams“ der Figuration, die nicht sofort offensichtlich sein müssen (zumindest nicht für den Außenstehenden). Norbert Elias hat eine konfliktgeladene Figuration mit dem sehr einfachen Beispiel eines Fußballspiels verglichen:

Gewöhnlich nehme ich als einfachstes Beispiel einer fließenden Figuration ein Fußballspiel. In einem Fußballspiel ist es auch so, daß Sie die Figuration, die das eine Team bildet, nicht verstehen können, wenn Sie nicht die Verzahnung in die Handlungen des anderen Teams sehen. Die Figuration ist nicht die eine Seite und nicht eine andere Seite, sondern die Verzahnung zwischen den verschiedenen Seiten. So steht im Kern einer Figuration sehr oft eine Spannung und sogar ein Konflikt. Systemtheorien sind gewöhnlich harmonistisch. Sie sehen nicht, daß Spannungen innerhalb der Menschen, die eine Figuration bilden, essentiell und zentral zum Wesen der Gesellschaft gehören. Und sie sehen auch nicht so deutlich, daß die Dynamik immer eingebaut ist und daß man die Dynamik der Figuration immer als selbstverständlich genau untersucht.27

Im Zusammenhang der bosniakisch-türkischen Figuration erweist sich der Begriff der Figuration (bzw. des Prozesses) deshalb als geeignet, auch wenn es sich um eine noch weitere Gruppe als eine Nation handelt;28 allerdings sind die Akteurinnen dieser Figuration Menschen, die teilweise über Grenzen hinweg in direktem persönlichen Kontakt zueinander stehen, teilweise jedoch auch solche, die sich (wie die meisten Angehörigen einer Nation) im „echten Leben“ nie persönlich begegnen, sondern nur über (neue) Medien miteinander in unterschiedliche (figurative) Beziehungen treten. Deshalb bietet sich die Erweiterung des Figurationsbegriffs um jenen der kommunikativen Figuration als nützlich und angezeigt an, wodurch theoretisch alle Akteurinnen erfasst werden können, deren Sprechen, Schreiben, deren Medienkonsum und weiteres Handeln hier relevant sind. Laut der Annahmen des Forschungsverbundes Kommunikative Figurationen sind diese durch drei Haupteigenschaften gekennzeichnet:

  1. Erstens haben kommunikative Figurationen eine bestimmte Akteurskonstellation, die sich als deren strukturelle Basis begreifen lässt: ein Netzwerk von Individuen, die miteinander wechselseitig verbunden sind und kommunizieren. Die Figuration, die sie bilden, kreist dabei um bestimmte Themen und Praktiken.29
  1. Zweitens hat jede kommunikative Figuration deshalb dominante Relevanzrahmen, die handlungsleitend für deren konstitutiven Praktiken sind. Diese Relevanzrahmen definieren das ‚Thema’ und entsprechend den Charakter der kommunikativen Figuration als einer sozialen Domäne.30
  2. Drittens haben wir es mit bestimmten kommunikativen Praktiken zu tun, die verwoben sind mit weiteren sozialen Praktiken. In ihrer Zusammensetzung beziehen sich dies Praktiken typischerweise auf und sind verschränkt mit einem Medienensemble.31

An dieser Stelle ist wesentlich, dass die kommunikativen Praktiken tatsächlich verschränkt sind — und zwar nicht nur mit medialen Praktiken, sondern, wie noch genauer zu sehen sein wird, intermedial mit unterschiedlichen Medien: z.B. sind Fernsehen, Geschichtsbücher, Romane und Online Social Networks verschränkt, indem über relevante historische Themen TV-Serien gedreht oder Romane geschrieben werden, die über OSN Verbreitung finden. Verschränkung findet aber auch zwischen medialer und nicht-medialer Umwelt statt: z.B. sind Fernsehen, Tourismus, Baubranche, Politik, etc. miteinander verschränkt, weil eine renovierte osmanische Brücke über mediale Vermittlung den Tourismus- und Luftfahrtsektor belebt. Besonders die Verschränkung zwischen türkischen TV-Serien und den übrigen Praktiken in der Figuration wird noch genauer dargestellt, weil dem populärkulturellen Medienprodukt der TV-Serie durch ihre schiere Voluminosität, Textualität, Popularität und Rolle in der Öffentlichen Diplomatie besonders große Relevanz zukommt.

Aufbau

Die nicht-überarbeitete Dissertation gliedert sich in fünf Teile bzw. Großkapitel, wobei zu beachten ist, dass insbesondere Teil V für die Publikation noch erheblich umgearbeitet wird. Teil I wird vor dem oben skizzierten Hintergrund die Fragestellung operationalisiert (1.1), wofür die wichtigsten Ergebnisse und Desiderata des bestehenden Forschungsstandes ausgewertet werden (1.2). Daran anknüpfend werden die wichtigsten theoretischen Bezüge (1.3), die zentralen Hypothesen zur Wendedynamik (1.4) sowie die Methoden- und Quellenwahl dieser multidisziplinären Studie genauer dargelegt (1.5).

Teil II beschäftigt sich mit der Zeit vor der eigentlichen Wende, als abwertende und ambivalente Türkei-Tropen vorherrschend auf dem Meinungsmarkt der Balkan-Čaršija waren (2.1). Diese Tropen finden sich auch in den autobiographischen Life-Stories muslimischer (bosniakischer) Auswanderer in der Türkei wieder (2.2). Europa-Tropen waren auch in der Türkei in dieser Zeit einerseits prestigeträchtig, andererseits aber auch Teil eines binären, innertürkischen Ost-West-Konflikts, der bis in die jüngste Zeit fortbesteht, was vor allem am Beispiel konkreter Erfahrungen der Einwanderer gezeigt wird (2.4). In diesem ambivalenten Spannungsfeld mussten und müssen sich auch die nach dem Höhepunkt der geopolitischen Wende gegeründeten, bosniakischen Heimatvereine (Derneks) positionieren, wie im letzten Teilkapitel dargestellt wird (2.5).

In Teil III geht es um die eigentliche Wendezeit. Für diese Zeit ist charakteristisch, dass sich öffentliche Meinungen in Gestalt von Türkei-Tropen zunehmend positiv wenden, was in einem engen Wechselverhältnis mit den geopolitischen und technologischen Wende-Ereignissen zwischen 1980 und 2002 steht (mit offenem Ende; 3.2) Auch die ab den frühen 1980er Jahren in einem überregionalen Kontext zu beobachtende Popularität islamistischer Diskurse gehört zur Wende; Insbesondere zum Verständnis der türkischen Kulturdiplomatie auf dem Balkan wird deshalb das islamistisch informierte Sendungsbewusstsein der herrschenden Partei (AKP) und ihres intellektuellen Milieus anhand zentraler, programmatischer Schriften mit Balkanbezug ausgewertet (3.3). anschließend können die Bautätigkeiten, kulturellen Aktivitäten und neu gegründeten Institutionen der Öffentlichen Diplomatie (bzw. Kulturdiplomatie) türkischer Sendung auf dem Westbalkan eingehend beschrieben werden (3.4).

In Teil IV wird die implizite Machtentfaltung (4.4) öffentlicher Meinungen in ihrer populärkulturellen Voluminosität analysiert, und zwar über TV-Serien als massenmediales Ensemble, weil dieses von allen Akteuren der kommunikativen Figuration mitgestaltet, konsumiert und über neue Medien ,,prosumiert“ wird (4.1 und 4.2). In den Plots, Figuren und Narrativen ausgewählter Serien mit Balkanbezug kehren die in Teil II dargestellten Konflikte und Spannungen wieder; die implizite Dramaturgie des medialisierten Marktes als Soft Power zeigen außerdem, dass bauliche und wirtschaftliche Aktivitäten der zeitgenössischen Türkei auf dem Balkan (z.B. Tourismus, Luftfahrt, Infrastrukturprojekte) eng mit diesem Medienensemble verwoben sind.

Die Kapitel des letzten Teils V bestehen aus zwei erkenntnistheoretischen Teilkapiteln und drei thematischen Clusters der in der Figuration verhandelten Themen. Angelehnt an die Grounded Theory wird ein verallgemeinerbares Deutungsangebot zur Funktionsweise wiederkehrender, sich wendender (d.h. im symbolischen Wert umkehrender) sprachlicher Tropen formuliert (5.1 und 5.2). Aufgrund der Mehrsprachigkeit (hauptsächlich B/K/M/S und Türkisch) der kommunikativen Figuration kommuniziert diese gleichzeitig figurativ (bildlich, metaphorisch, tropisch) und damit mehr oder weniger indirekt über Sprachbarrieren hinweg, weshalb das inhärente Missverstehen, Nicht- oder Anders-Verstehen, (Fehl-)Übersetzungen, Konflikte und Widersprüche in Kapitel 5.2 als Bricolage (Verbastelung) des verwendeten symbolischen Repertoires erfolgt. Trotz aller Uneindeutigkeiten können die im Diskurs verwendeten Tropen zu drei zentralen Cluster gebündelt werden: Erstens werden Verwandtschaft, Vergeschlechtlichung und hierarchische Vergeschwisterung hergestellt (5.3); zweitens lassen sich Kultur-, Zivilisations-, Brücken-, Entwicklungs-, Herkunfts- und Fortschritts-Tropen unter dem Schirm der Himmelsrichtungsmetaphorik von Ost/West bündeln, wie etwa im Wert, welcher der Verwestlichung beigemessen wird (5.4); und drittens rangiert Sicherheit als übergeordnetes Thema über dem Kontext muslimischer Emigration, Vertreibung und Unsicherheit ebenso wie über der permanenten Bezugnahme auf den islamischen Ursprungs- und Exodusmythos der Hijra, von dem sich auch die Bezeichnung der Muhacir ableitet (5.5). Abschließend (5.6 und 5.7) wird der untersuchte Diskurs in einen globalen Kontext der Kosmopolitisierung und der neopopulistischen Bewegungen eingeordnet.

Umsetzung, Verteidigung und Publikation

Meine Dissertation ist an der Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies (BGSMCS) entstanden, die als gemeinsame, internationale Graduiertenschule der FU Berlin, der HU Berlin und des Leibniz-Zentrum Moderner Orient (LZMO) Mitglied der Dahlem Research School (DRS) ist. Die Forschung wurde durch ein Vollstipendium der DFG im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes ermöglicht. Für ein zusätzliches Feldstudienjahr in Sarajevo konnte ich außerdem ein zehnmonatiges Stipendium der Europäischen Kommission (EACEA / Erasmus Mundus SIGMA) einwerben. Durchgehend war ich Mitglied des Forschungskolloquiums am Lehrstuhl für Südosteuropäische Geschichte der HU Berlin, wo mich Professor Hannes Grandits als Erstgutachter betreute. Zweitgutachterin war Professorin Ingeborg Baldauf vom Institut für Asien- und Afrikawissenschaften der HU Berlin. Während meiner einjährigen Feldstudien in Istanbul genoss ich während meines ersten zweimonatigen Aufenthalts (2014) die großzügige Unterstützung durch Professor Nihat Berker, dem damaligen Präsidenten der Sabancı-Universität Istanbul, und während meines zweiten, zehnmonatigen Aufenthalts (2015) die Unterstützung durch Professor Ayhan Kaya vom European Institute der Bilgi-Universität Istanbul, wo auch eine erste Publikation entstand. In Sarajevo war ich Gast von Professor Husnija Kamberović von UMHIS / Universität Sarajevo (damals Institut für Geschichte).

Die Arbeit wurde im Juli 2020 zusammen mit zwei weiteren Thesen zur Frühen Neuzeit und zum 19. Jahrhundert im Fach Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin mit magna cum laude verteidigt. Die Publikation ist in Vorbereitung. Im Sinne beider Gutachten wird die Gesamtlänge noch reduziert und gestrafft, wobei insbesondere Teil V zu weiten Teilen auf die vorangegangenen Kapitel aufgeteilt wird. Die Publikation soll zeitgemäß als hybrides Format erscheinen: sowohl digital als Open Access, als auch als klassisches gedrucktes Buch.

Fußnoten

1Meine Magisterarbeit habe ich über meine Homepage online zugänglich gemacht. Daneben habe ich einen Teil der Arbeit in einem Artikel des Journal of Genocide Research veröffentlicht. Vgl. Schad, Thomas: From Muslims into Turks? Consensual demographic engineering between interwar Yugoslavia and Turkey, in: Journal of Genocide Research, 18:4 (2016), 427-446. URL: http://www.tandfonline.com/doi/ abs/10.1080/14623528.2016.1228634 (zuletzt abgerufen am 31.5.2017) sowie Schad, Thomas (2011): Demographisches Unternehmertum in der Türkei und Jugoslawien: das Beispiel staatlich forcierter Migration jugoslawischer Muslime zwischen den Weltkriegen. Magisterarbeit des Osteuropa-Instituts der Freien Universität Berlin, online zugänglich über Dunyalook ( = Persönlicher Blog und Homepage von Thomas Schad), URL: https://thomasschad.files.wordpress.com/2018/06/magisterarbeit-thomas-schadfertig.pdf (zuletzt abgerufen am 21.6.2019).

2Vgl. Bandžović, Safet (2014): Bošnjaci i Turska: deosmanizacija Balkana i muhadžirski pokreti u XX stoljeću. Sarajevo: Author’s edition.

3Die Socijalistička Federativna Republika Jugoslavija/Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (SFRJ) wurde von 1946 bis 1963 offiziell Federativna Narodna Republika Jugoslavija/Föderative Volksrepublik Jugoslawien (FNRJ) genannt.

4Vgl. Rastoder, Šerbo (2018): Komunisti i muhadžiri Crne Gore (1958-1971). Slučaj opštine Rožaje. Podgorica: Almanah, S. 27 ff.; Pezo, Edvin (2013): Zwangsmigration in Friedenszeiten? Jugoslawische Migrationspolitik und die Auswanderung von Muslimen in die Türkei (1918 bis 1966).München: Oldenbourg Verlag, S. 190 ff; S. 302 ff.

5Das Nachwirken beider Abkommen habe ich zuletzt in einem Interview auf dem jezik*sprachigen Blog für zeitgenössisches islamisches Denken Algoritam aus Sarajevo diskutiert, vgl. Razgovor sa Thomasom Schadom o iseljavanju muslimanskog stanovništva u Tursku, in: Algoritam (savremena islamska misao) vom 21.5.2019, URL: https://algoritam.net/2019/05/21/razgovor-sa-thomasom schadom/ (zuletzt abgerufen am 21.6.2019).

6Im Mai 2014 wurde der Balkan von einem extremen Mittelmeertief des Typen Vb getroffen, was zu den höchsten je gemessenen Niederschlagsmengen, Überschwemmungen und weitreichenden Zerstörungen führte. Vgl. Stadtherr, Lisa u.A. (Autoren): Record Balkan floods of 2014 linked to planetary wave resonance, in: Science Advances, Band 2, Nr. 4, 2016.

7Müezzinoğlu Sancak Dostları Platformunda, in: Yeni Haber vom 1.6.2014, URL: http://www.yenihaberden.com/muezzinoglu-sancak-dostlari-platformunda-35313h.htm (zuletzt abgerufen am 21.6.2019).

8Sel Mağduru Bosna Hersek’e Tika’dan Tarım Alanında Destek, in: bosnahersek.ba vom 19.6.2014, URL: http://www.bosnahersek.ba/sel-magduru-bosna-herseke-tikadan-tarim-alaninda-destek/ (zuletzt abgerufen am 24.10.2017).

9Unter diesem Motto berichtet die regierungsnahe Zeitung Karar am 12. Juli 2016, einen Tag nach dem Jahrestag des Falls der damaligen muslimischen Enklave, über Srebrenica: Keçiören Belediyesi, Srebrenitsa Şehitlerini andı, in: Karar (Online) vom 12.7.2016, URL: https://www.karar.com/ankara/kecioren-belediyesi-srebrenitsa-sehitlerini-andi-183965# (zuletzt abgerufen am 21.6.2019).

10Vgl. Bougarel, Xavier (2018): Islam and Nationhood in Bosnia-Herzegovina: Surviving Empires. New York: Bloomsbury, S. 103 ff. sowie Dizdarević, Zlatko: Alija Izetbegović – tragična dosljednost jedne zablude, in: Matvejević, Predrag/Stevanović, Vidosav/Dizdarević, Zlatko (Hg. (2001): Gospodari rata i mira. Split: Feral Tribune, S. 79 ff.

11Die Bezeichnung der „Jugosphäre“ (Yugosphere) geht auf Tim Judah zurück, vgl. Judah, Tim: Good news from the Western Balkans: Yugoslavia is dead long live the Yugosphere, in: LSEE Papers on South Eastern Europe (2009), URL: http://www.lse.ac.uk/LSEE-Research-on-South-Eastern-Europe/Assets/Documents/Publications/Paper-Series-on-SEE/Yugosphere.pdf (zuletzt abgerufen am 25.7.2018).

12Zum Beispiel habe ich bei meinem Besuch des Radio-Television-Gebäudes, wohin ich einen Informanten begleitet habe, der für die bosniakische Redaktion gearbeitet hat, auch die wlachische und serbische Redaktion gesehen und kurz eine wlachische (aromunische) Mitarbeiterin gesprochen. Daneben wird auch Torbeschisch in Nordmazedonien gesprochen.

13Das Yahya-Kemal-College gehört zur Hizmet-Bewegung um Fethullah Gülen, die von der früher verbündeten türkischen Regierungspartei inzwischen als Terrororganisation („FETÖ“) eingestuft und verfolgt wird. Nach dem misslungenen Putschversuch des 15.7.2016 wurde der seit 2013 zunehmend eskalierende Konflikt zwischen der AKP-Regierung und Hizmet-Bewegung um Fethullah Gülen zunehmend aggressiver ausgetragen, was sogar die Entführung türkischer Staatsbürger auf dem Balkan mit einschloss. Die AKP-nahe Zeitung Timebalkan berichtet zwei Tage nach dem Putschversuch über die „terroristischen Umtriebe“ in Nordmazedonien: Yahya Kemal Koleji mezunları: “Makedonya’daki FETÖ kurumları incelenmeli”, in: Timebalkan vom 17.7.2016, URL: https://timebalkan.com/yahya-kemal-kolejimezunlari-makedonyadaki-feto-kurumlari-incelenmeli/ (zuletzt abgerufen am 21.6.2019).

14İbrahim Cevahir, der Patron und Namensgeber der Holding, der im September 2015 verstorben ist, war zuletzt AKP-Mitglied, nachdem er im Laufe seines Lebens auch schon Mitglied der heutigen Oppositionspartei CHP und der früheren Anavatan Partisi (ANAP) war. Die Holding hat unter anderem die zweitgrößte Shoppingmall Europas in Istanbul gebaut. Über die Nähe zum Präsidenten Erdoğan berichtete die regierungskritische Nachrichtenseite Odatv 2015: Erdoğan ile İbrahim Cevahir’in yakınlığı nereden geliyor, in: Odatv vom 30.9.2015, URL: https://odatv.com/erdogan-ile-ibrahim-cevahirin-yakinliginereden-geliyor-3009151200.html (zuletzt abgerufen am 21.6.2019).

15Vgl. Der Begriff der öffentlichen Meinungen geht auf Walter Lippmann zurück und wird noch genauer erklärt, vgl. Lippmann, Walter (2009 [1922]). Public Opinion. New Brunswick/London: Transaction Publishers.

16Zu diesem Kontext vgl. überblicksmäßig Daxner, Michael und Sarah Riese: Longtime Effects from Kosovo, Little Ado About Bosnia-Herzegovina, in: S+F (29. Jg.) 1/2011, S. 24-30 sowie ausführlicher in Sarah Rieses Dissertation, die durch ihre eigene mehrjährige Arbeit im zivilgesellschaftlichen Sektor BiHs die Entwicklungen seit den späten 1990er Jahren bestens kennt: Riese, Sarah (2013): Dayton ImportExport: Peacebuilding Negotiations Between Interveners and Intervened in Bosnia and Herzegovina. Veröffentlichte Dissertation der Freien Universität Berlin, S. 30 ff.

17TİKA bestand zwar bereits seit 1992, wurde aber erst in der AKP-Ära auf dem Balkan sichtbar und konzentrierte sich in den 1990er Jahren auf Zentralasien und den Kaukasus. Erst nach der Wirtschaftskrise ab 2000 begann es, zu expandieren, mit einem weiteren Expansionsschub ab 2010.

18Vgl. Tanasković, Darko (2010): Neoosmanizam. Povratak Turske na Balkan [Neo-Ottomanism. Turkey’s Return to the Balkans]. Belgrade: JP Službeni Glasnik.

19Baklacıoğlu, Nurcan Özgür: Yugoslavya’dan Türkiye’ye Göçlerde Sayılar, Koşullar ve Tartışmalar [Figures, Conditions and Discussions in Migrations from Yugoslavia to Turkey], in: Erdoğan, M. Murat and Ayhan Kaya (Hg.) (2015): Türkiye’nin Göç Tarihi. 14. Yüzyıldan 21. Yüzyıla Türkiye’ye Göçler [Turkey’s History of Migration. Migrations to Turkey from the 14th to the 21st Century]. Istanbul: İstanbul Bilgi Üniversitesi Yayınları, S. 217-218.

20Auf dieses Zitat habe ich mich in derselben (eigenen) Übersetzung auch in meinem Beitrag im Südosteuropa-Jahrbuch 44 bezogen: Schad, Thomas (2019): Die öffentliche Diplomatie einer kommunikativen Figuration zwischen Sarajevo und Ankara, S. 150.

21Wie alle Stereotypen und Gemeinplätze zirkuliert šta čaršija kaže hauptsächlich mündlich, es gibt jedoch auch ein populärkulturelles Lied mit dem Titel „Es interessiert überhaupt nicht, was die čaršija sagt“ der Sängerin Suada Begić aus dem Jahr 1987 aus dem Genre der novokomponovana narodna muzika, vgl. Begić, Suada: Baš me briga šta čaršija kaže [Official video 1987], geteilt von User Kanal Dobre Zabave auf Youtube am 27.9.2018, URL: https://www.youtube.com/watch?v=MwGIwUl4RdM (zuletzt abgerufen am 12.6.2019).

22Elias, Norbert (2014): Was ist Soziologie? Bad Langensalza: Beltz Juventa, S. 155-156.

23Heuer/Heiter: Arendt Handbuch (Die Konzeption des Zwischen), S. 310-311 sowie Arendt, Hannah (2015): Vita Activa oder Vom tätigen Leben. München: Piper, S. 213 ff.

24Elias, Norbert: Über die Begriffe der Figuration und der sozialen Prozesse. Einführende Bemerkungen zu einem Colloquium über den historischen Charakter der Gesellschaft und die soziologische Theorie am 12. Mai 1987 in der Technischen Universität Berlin, veranstaltet vom Institut für Soziologie. Diskussionsbeiträge IS/TUB 6, 1987, S. 5.

25Darauf weist Gérard Noiriel hin: dies sei erklärend dafür, warum Migrationen erst so spät Beachtung geschenkt worden sei von der Historiographie, da sie aus Sicht nationaler Historiker eine Abweichung eines für „normal“ gehaltenen Zustands waren. Noiriel, Gérard (2001): État, nation et immigration. Vers une histoire du pouvoir. Paris: Gallimard.

26Dunning, Eric und Jason Hughes (2013): Norbert Elias and Modern Sociology: Knowledge, Interdependence, Power, Process. New York/London: Bloomsbury, S. 51.

27Elias, Norbert: Über die Begriffe der Figuration (Vortrag an der TU Berlin), S. 6.

28Auch Norbert Elias hat den Begriff im Prozeß der Zivilisation für weitere Konzepte verwendet als „nur“ beispielsweise die französische bzw. andere europäische Nationen, die in seinem Betrachtungszeitraum freilich teils (noch) gar nicht existierten. Vgl. Elias, Norbert (1997): Über den Prozeß der Zivilisation: Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen (Band 1 und 2). Frankfurt am Main: Suhrkamp sowie Elias, Norbert (2014): Was ist Soziologie? Bad Langensalza: Beltz Juventa.

29Homepage Netzwerk „Kommunikative Figurationen“ der Universitäten Bremen und Hamburg, URL: https://www.kommunikative-figurationen.de/de/ansatz/ (zuletzt abgerufen am 7.6.2019).

30Ebda.

31Ebda.

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