Öffentliche Diplomatie

Ein typisches Merkmal neopopulistischer Sendung ist der starke Gebrauch kulturalistischer und identitärer Kategorien. Diese werden in stereotypischer Sprache über die (unter Meinungskapitalismus beschriebenen) Meinungsplattformen verbreitet, um die öffentlichen Meinungen zu gestalten. In diesen Bereich fallen die grenzübergreifenden Desinformations– und Propagandakampagnen, wie sie etwa die Autoren einer Broschüre der Amadeu Antonio Stiftung von 2022 am Beispiel der neopopulistischen Sendung des Putin-Regimes und ihrer Rezeption durch neokonservative und illiberale Akteure in Deutschland detailliert recherchiert haben (Steinberg/Vitter 2022). In diesselbe Kategorie gehören die Aktivitäten des türkischen AKP-Regimes, das nicht nur in der Türkei, sondern auch in Deutschland, auf dem Balkan und global sendet, wozu eine Reihe neuer Institutionen und Think Tanks gegründet worden ist (Arin 2015); im Fall der kulturalistischen Sendung des AKP-Regimes tritt besonders deutlich zu Tage, was auch anderswo — etwa in der Russländischen Föderation (Bluhm 2023) oder in Iran (La Marca 2022) — der Fall ist: es werden regelrechte Kulturkämpfe ausgetragen (Özçetin 2019; 2018; Turan/Çiçekoğlu 2019). Auch Genozidleugnung, etwa im prominenten Fall des Srebrenica-Genozids von 2015, kann über kulturelle Sendung erfolgen (Schad 2021). Außerdem ist verstärkt autokratisches Lernen zwischen den unterschiedlichen, neopopulistischen und neokonservativen Regimen zu beobachten (Bank/Josua 2017; Bluhm 2023; Schad 2022a, 2022b; Way 2016). Kultur und Identität sind jedoch — genau wie die damit einhergehenden Kategorien Religion und Spiritualität — ambivalent: sie können auch alternativ und liberal gestaltet werden. Deshalb sollen am Ende dieses Bereichs Vorschläge erarbeitet werden, wie eine alternative Kulturdiplomatie aussehen kann, in der Kultur, Religion, Spiritualität und Identität nicht identitär und nicht kulturalistisch verhandelt werden können. Diese Vorschläge sollen mit den Forschungsergebnissen aus den erprobten Differenzgemeinschaften Bosnien-Herzegowinas und dem super-diversen Berlin in den anderen beiden Forschungsbereichen von Hermannova vertieft und grundiert werden.

Referenzen (Auswahl):
  • Arin, Kubilay (2015): Turkish Think Tanks, the AKP’s Policy Network from Neo-Gramscian and Neo-Ottoman Angles.Occasional Paper Series, Vol. 4 / 1. Portland State University: Center for Turkish Studies & The Contemporary Turkish Studies Program.
  • Bank, André und Josua, Maria: Gemeinsam stabiler: wie autoritäre Regime zusammenarbeiten, in: GIGA Focus Global, No. 2, Juni 2017, URL: https://pure.giga-hamburg.de/ws/files/21685807/web_global_02_2017.pdf (zuletzt abgerufen am 20.9.2022).
  • Bluhm, Katharina (2023): Russland als Pionier eines neuen illiberalen Konservatismus? Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Zur Kritik und Zukunft des liberalen Skripts“, Exzellenzcluster „Contestations of the Liberal Script (SCRIPTS)“. Abrufbar von der Mediathek DLF Nova / Hörsaal, URL: https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/wertvorstellungen-russland-als-partner-der-konservativen-rechten (zuletzt abgerufen am 15.4.2023).
  • La Marca, Teseo: Proteste im Iran: Die große Kluft, in: Taz vom 18.11.2022, URL: https://taz.de/Proteste-im-Iran/!5892490/ (zuletzt abgerufen am 19.11.2022).
  • Özçetin, Burak (2019). Tarihin Kötüye Kullanımları. Popülizm, Nostalji ve Yeni Türkiye’nin Tarihi Dizileri [Abuses of History. Populism, Nostalgia and the Historical TV-Series of New Turkey]. In: Toplumsal Tarih, Vol. 306, Juni 2019, pp. 36-42. Istanbul: Tarih Vakfı.
  • Özçetin, Burak (2018). Yeni Türkiye’nin tarihle ve kültürle imtihanı: Diriliş Ertuğrul ve gösterdikleri. T24 (2018, April 5), URL: https://t24.com.tr/k24/yazi/dirilis-ertugrul,1693 (last retrieved 8.4.2018).
  • Schad, Thomas: Faktizität, Identität und Emotionalität: Kulturelle Strategien zum Umgang mit Genozid-Leugnung im Fall Srebrenica, in: Südosteuropa Mitteilungen 05/2021, S. 33-48. [PDF]
  • Schad, Thomas: Iran und Russland: Wie Demokratien Autokratien fördern, in: Berliner Zeitung vom 20.10.2022, URL: https://www.berliner-zeitung.de/open-source/iran-und-russland-wie-demokratien-autokratien-foerdern-li.277833 (zuletzt abgerufen am 15.4.2023).
  • Schad, Thomas: Autokratisches Lernen: Parallelen des russischen und türkischen Neopopulismus, in: Südosteuropa Mitteilungen 5-6/2022, S. 103-116, URL: https://www.sogde.org/de/publikationen/suedosteuropa-mitteilungen/ (zuletzt abgerufen am 20.12.2022).
  • Steinberg, Andrej und Vitter, Manja (2022): „Eine Waffe im Informationskrieg“: Demokratiefeindliche Narrative in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Berlin: Amadeu Antonio Stiftung. URL: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/eine-waffe-im-informationskrieg-demokratiefeindliche-narrative-in-russlands-angriffskrieg-gegen-die-ukraine/ (zuletzt abgerufen am 15.4.2023).
  • Turan, Ömer & Çiçekoğlu, Feride (Eds.) (2019). The Dubious Case of a Failed Coup: Militarism, Masculinities, and 15 July in Turkey. Singapore: Palgrave Macmillan.
  • Way, Lucan: The Authoritarian Threat: Weaknesses of Autocracy Promotion, in: Journal of Democracy, Volume 27, Number 1, January 2016, pp. 64-75.
  • Zimmermann, Astrid: Kulturkämpfe kann man nicht gewinnen, in: Jacobin Magazin vom 8.12.2022, URL: https://jacobin.de/artikel/kulturkaempfe-kann-man-nicht-gewinnen-identitaetspolitik-neoliberalismus-rechtsruck-ungleichheit-astrid-zimmermann/ (zuletzt abgerufen am 12.12.2022).