Ich habe vorletzte Woche den Podcast Die Peter Thiel Story auf DLF gehört. Sieht man von einigen Kleinigkeiten1Etwas nervig daran: die Süffizanz der Sprecherstimme, als könne man Peter Thiel zwischendurch geradezu knuddeln. Warum tut man das? Ein verbreitetes Unding, das gleich hinter der Aussprache Dschornalismus statt Zhournalismus kommt. Aber das nur am Rande, weil es tierisch nervt und kaum je angesprochen wird. ab, ist es ein wirklich interessanter und gelungener Podcast, den ich gerne gehört habe und aus dem mir im Zusammenhang mit dem Neopop-Projekt nun ein paar Aspekte fortdauernd durch den Kopf geistern.
Erstens wird immer wieder thematisiert, wie wahnsinnig intelligent Peter Thiel sei — angefangen bei seiner Schachspielerei, fortgesetzt bei seiner akademischen Laufbahn, in der viele der Weichen hin zu seinem illiberalen (jedoch libertären) Weltbild und seinen Handlungsmaximen gestellt wurden. Ebenfalls findet eine Einbettung seines Lebenslaufs in eine höchst privilegierte Lebenswelt statt. Die Eltern wanderten mit dem Kleinkind Peter von Deutschland in die USA aus. Thiels Vater war Chemiker und fand bald Arbeit in gehobener Position in Namibia und Südafrika, in einer Uranmine. Thiel selbst wurde während der Apartheid in Johannesburg und Swakopmund (Namibia, damals südafrikanisch besetzt) schulisch sozialisiert, bald zog die Familie aber wieder zurück in die USA. Im Podcast wird eine inzwischen häufiger thematisierte Gemeinsamkeit gezogen zu anderen Tech-Bros, natürlich zuvorderst Elon Musk, der bekanntlich auch unter dem Apartheid-Regime aufgewachsen ist. Peter Thiel studierte später an der Elite-Universität Stanford — einem mächtigen Inkubator für die Tech-Branche, das geht etwas unter — wo er gewissermaßen eine Abweichlerposition vom prodemokratischen, liberalen Mainstream einnahm. Auf die Podcast-Macher wirkt das wohl etwas ungewöhnlich angesichts der Tatsache, dass Thiel homosexuell ist, was womöglich auch andeutet, dass hier noch eine kritische Auseinandersetzung mit den Grabenkämpfen zwischen angeblich woken Kreisen und ihren Gegenspielern ausstehen könnte. Wer ansonsten Peter Thiel ist — PayPal- und Palantir-Gründer, früher Facebook-Investor, Milliardär und politischer Strippenzieher hinter Trump, das alles ist entweder bekannt oder kann im Podcast genauer nachvollzogen werden. Ich vermisse an der Hervorhebung Thiels‘ Intelligenz ein wenig die vergleichbar untergewichtete Rolle öknomischen Kapitals und schierer Privilegien in seinem Lebensweg.
Zweitens und zusammenhängend mit Thiels Lebenslauf wird das Thema der oligarchischen Verflechtungen eines Bro-Netzwerks rund um das Silicon Valley relativ prominent gemacht, wenngleich ich an dieser Stelle finde, dass auch Menschen wie Jaron Lanier oder Aaron Swartz (R.I.P.) hätten Erwähnung finden können. Nun ist gut nachvollziehbar, dass thematische Eingrenzungen vorgenommen werden müssen und nicht alles in einem Beitrag erzählt werden kann; dennoch entsteht bei mir der Eindruck, dass gerade eine Art Entzauberung des Silicon Valleys und Amerikas insgesamt erzählt wird (d.h. nicht nur in diesem Podcast), ganz so, als handle es sich dabei um etwas genuin neues, quasi um die Enthüllung eines tiefen Falls eines einstigen Horts von Freiheit und Fortschritt auf allen möglichen Ebenen. Dass dem gar nicht so ist wurde bereits vor Jahren wirklich ausführlich dekonstruiert, im deutschen Sprachraum unter anderem durch Mitglieder des Chaos Computer Clubs. In Deutschland hatte das kaum große Beachtung oder gar politische Reaktionen zur Folge.
Drittens fand ich sehr aufschlussreich, dass die Geisteshaltung und besonders die religiöse Information Thiels‘ Denkens so zentrales Gewicht im Podcast finden, besonders im letzten Teil. Die Rolle von Ayn Rand als Hohepriesterin des Neoliberalismus dabei — das mag altbekannter, „kalter Kaffee“ sein, ebenso wie die erstaunliche und anhaltende Relevanz des Nazi-Denkers Carl Schmitt. Doch das Denken und Handeln in pseudo-religiösen, pseudo-christlichen Kategorien wie dem „Antichristen“ — das ist für mich das wirklich besorgniserregende an der Entwicklung. Wie bei vielen anderen neurechten Akteuren besteht auch bei Thiel eine ausgesprochen offene Nähe zu transzendenten, metaphysischen Sphären, auch wenn Thiels vermessener Wunsch, nicht sterben zu müssen, im Grunde „anti-transzendent“ ist.
Am besten, man hört sich den Podcast selbst an. Da ich mich im Hintergrund gerade mit einem nicht enden wollenden Essay über Gewissensverweigerung beschäftige, in dem es auch um die Frage nach metaphysischer Autorität geht — nämlich hinter den angeblich universellen Menschenrechten und der Frage, was eigentlich das Gewissen sein soll — komme ich zu einem vorläufigen, unfertigen Fazit für diese schwierige Aufgabe:
Während viele liberale, prodemokratisch gesinnte Denker weiterhin so tun, als könne man die Sphäre des Metaphysischen gewissermaßen wegrationalisieren oder in anthropologischer Manier als Eigenheit beobachteter Anderer zu behandeln, haben rechte, illiberale Denker erkannt, wie wirkmächtig es ist, sich selbst ihrer zu bemächtigen. Das Beispiel eines Peter Thiels und das Geleit der US-amerikanischen Oligarchisierung zeigen zudem, dass rein rationale Kategorien wie Intelligenz — über die Thiel mit Sicherheit in hohem Maße verfügt — alleine ganz und gar nicht tauglich sind, um im Sinne der universellen Menschenrechte zu dringend benötigten Lösungen eines konfliktträchtigen Planeten als einzigem locus vivendi menschlichen wie nicht-menschlichen Lebens beizutragen. Das Menschen- und Weltbild, das nicht nur Peter Thiel, sondern auch Elon Musk, Donald Trump und weitere Vertreter der Tech-Bros kultivieren, dürfte für die Mehrheit der interspezifischen Lebenswelt des Planeten auf einen einzigen Alptraum hinauslaufen.
Am Ende bleiben bei mir zwei Fragen offen:
Erstens, wie sollten liberale, prodemokratische Verfechter universeller Menschenrechte mit Religion umgehen?
Zweitens: Wie kann es gelingen, die Wirkmächtigkeit metaphysischer Kategorien dem neurechten, illiberalen Handlungsraum effektiver als bisher zu entkoppeln und dem Nutzen interspezifischer Sicherheit zu überführen?

Referenzen und weiterführende Literatur
Bildquelle (Coverbild): Bild von Riki32 auf Pixabay
Bildquelle Drei Affen: Bild von Andreas Lischka auf Pixabay
Fichter, Adrienne: Facebook bedroht Demokratie. Podcast Eine Stunde Talk von DLF Nova vom 14.2.2018 (Moderation: Sven Preger), URL: https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/politik-facebook-bedroht-demokratie-sagt-adrienne-fichter (zuletzt abgerufen am 7.10.2022).
Helmore, Edward: ‚Extinction is on the table‘: Jaron Lanier warns of tech’s existential threat to humanity, in: Guardian vom 27.11.2022, URL: https://www.theguardian.com/technology/2022/nov/27/jaron-lanier-tech-threat-humanity-twitter-social-media (zuletzt abgerufen am 1.2.2023).
Körber, Jasmin; Espenlaub, Fritz; Uhrig, Klaus; Schiffer, Christian: Die Peter Thiel Story, in: DLF vom 05. Juni 2025 (Teil 6/6), URL: https://www.deutschlandfunk.de/die-peter-thiel-story-100.html (zuletzt abgerufen am 22. Juni 2025).
Kurz, Constanze: Wie Soziale Medien uns manipulieren (Teil der Veranstaltungsreihe „Wahrheit, Populismus, Internet — FAKE NEWS und Macht im digitalen Zeitalter), in: Dlf Nova vom 5.12.2018, URL: https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/h%C3%B6rsaal-wie-soziale-medien-uns-manipulieren (zuletzt abgerufen am 7.10.2022).
Kurz, Constanze: Desinformation mit technischen Mitteln, Vortrag von Dr. Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Club [CCC], 4.12.2018, URL: https://www.ub.uni-koeln.de/events/2018/fakenews/index_ger.html (zuletzt abgerufen am 7.10.2022).
Lanier, Jaron (2014). Wem gehört die Zukunft? Du bist nicht der Kunde der Internet-Konzerne, du bist ihr Produkt. Hamburg: Hoffmann und Campe.
Lanier, Jaron (2018). Ten arguments for deleting your social media accounts right now. New York: Henry Holt and Company.
Lanier, Jaron (2020). Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst. Hamburg: Hoffmann und Campe.
Podiumsdiskussion „WAS GESCHIEHT? — Fake News und bedrohte Demokratie.“ Moderation: Dr. Michael Köhler (WDR3). Podium: Dr. Jürgen Hermes [Institut für Digital Humanities], Dr. Patrick Honecker [Dezernat 8 Kommunikation und Marketing], Professorin Dr. Sandra Kurfürst [Südasien- und Südostasienstudien], Professorin Dr. Anke Ortlepp [Amerikanische Geschichte], Professor Dr. Karl-Nikolaus Peifer [Medienrecht], Teil der Veranstaltungsreihe „Wahrheit, Populismus, Internet – Fake News und Macht im digitalen Zeitalter“ der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, des Center for Data and Simulation Science, des Dezernats für Kommunikation und Marketing sowie des Instituts für Medienkultur und Theater der Universität zu Köln, URL: https://www.ub.uni-koeln.de/events/2018/fakenews/index_ger.html (zuletzt abgerufen am 7.10.2022).
Podiumsdiskussion „WAS TUN? – Information Literacy in Zeiten von Fake News und Facebook“. Moderation: Dr. Michael Köhler (WDR3). Podium: Myrle Dziak-Mahler [Zentrum für LehrerInnenbildung], Juniorprofessorin Dr. Sandra Hofhues [Medienpädagogik und Mediendidaktik], Professorin Dr. Nadia Kutscher [Erziehungshilfe und Soziale Arbeit], Dr. Hubertus Neuhausen [Universitäts- und Stadtbibliothek], Professor Dr. Stephan Packard [Medienkultur und Theater]. Teil der Veranstaltungsreihe „Wahrheit, Populismus, Internet – Fake News und Macht im digitalen Zeitalter“ der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, des Center for Data and Simulation Science, des Dezernats für Kommunikation und Marketing sowie des Instituts für Medienkultur und Theater der Universität zu Köln, URL: https://www.ub.uni-koeln.de/events/2018/fakenews/index_ger.html (zuletzt abgerufen am 7.10.2022).
Quadfasel, Lars: Der Traum vom Hightech-Mittelalter, in: Jungle World vom 25.5.2022, URL: https://jungle.world/artikel/2022/21/der-traum-vom-hightech-mittelalter?fbclid=IwAR0TmAG9n6XIhx1KoiADnXibUTgdLUrQumKOk-GkYW4zvaYoWsW-EV2Hwnw (zuletzt abgerufen am 1.6.2022).
Smith, Justin E. H. (2022). The Internet Is Not What You Think It Is: A History, A Philosophy, A Warning. Princeton & Oxford: Princeton University Press.
Srnicek, Nick (2018 [2017]): Plattform-Kapitalismus. Hamburg: Hamburger Edition.
Swartz, Aaron / Lessig, Lawrence (2016): The Boy Who Could Change The World: The Writings of Aaron Swartz (Introduction by Lawrence Lessig). New York/London: Verso Books.
Swartz, Aaron / Lessig, Lawrence (2017): Celui qui pourrait changer le monde. Aaron Swartz: Écrits. Introduction de Lawrence Lessig (Textes traduits de l’anglais (États-Unis) par Marie-Mathilde Bortoletti et Amarante Szidon. Paris: Éditions B42.
Tarnoff, Ben: A Socialist Plan to Fix the Internet, in: Jacobin vom 30.11.2019, URL: https://jacobin.com/2019/11/tech-companies-antitrust-monopolies-socialist?fbclid=IwAR2-FBqLCSYBkqq0_JZk-u1yQGpmJ_QGGO2Q-gwQTokSGbKf2o1PxkCmLUI (zuletzt abgerufen am 7.10.2022).