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Klima und Wissenschaft: die Kunst der richtigen Vermittlung

Fear is a survival response. Fear makes us run, it makes us leap, it can make us act superhuman. But we need somewhere to run to. Without that, the fear is only paralyzing.

Angst ist eine Überlebensreaktion. Angst lässt uns rennen, sie lässt uns springen, sie kann uns übermenschlich handeln lassen. Aber wir brauchen einen Ort, zu dem wir rennen können. Ohne diesen Ort ist die Angst nur lähmend.

Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)

Klein, Naomi (2014). This Changes Everything. Capitalism vs. the Climate. London/New York: Penguin Books, S. 28.

Dieses Zitat von Naomi Klein spiegelt ein Charakteristikum unseres Zeitgeists: Furcht und Zukunftsangst. Es deutet aber auch auf die Uneindeutigkeit und Ambivalenz dieses starken Affekts, der lähmend oder motivierend sein kann. Der Ort, wohin die Motivation nach der Konfrontation mit der zunächst erschreckenden Wirklichkeit führen kann, könnte über die sachliche Suche nach Ursachen, Fakten, Dynamiken und Lösungen zuallererst in die Gemeinschaft der Wissenschaft führen.

Wo, wenn nicht in der kritischen Reflexion von Wissenschaftler:innen aller Disziplinen, mit all ihren unterschiedlichen Wissenszugängen, könnten sich Auswege und Hoffnung auffinden lassen? Von wo, wenn nicht aus der Wissenschaft, könnte der Stoff zum Umbau unseres Systems in die breite Öffentlichkeit getragen werden?

Worauf es ankommt, ist also nicht nur das Wissen selbst — sondern auch die Frage, wie es vermittelt wird. Leider führt nicht jeder Ansatz, das Thema der progressiven Klimakatastrophe in einfacher Sprache in die Öffentlichkeit zu tragen, zu größerem Bewusstsein über die dahinter stehende Kerndynamik. So sind Klimawandel und Energiewende ein zentrales Themenfeld, auf dem auch populistische Akteure agieren — indem sie negieren, herunterspielen, oder selektiv einräumen und manipulieren.

Der zuletzt genannte Aspekt der (selektiven) Manipulation ist am populistischen Umgang mit der Klimakatastrophe besonders problematisch: wie die Herausgeber Radtke/Canzler/Schreurs/Wurster (2019) in ihrem Sammelband Energiewende in Zeiten des Populismus einleitend feststellen, verbergen sich hinter den „Klima-Konflikten“, die sich in der öffentlichen Meinung abspielen, immer auch andere Konflikte:

Die Konflikte betreffen diverse gesellschaftliche Meta-Diskurse: Etwa den Generationenkonfikt wie im Falle der Fridays for Future-Bewegung („Jung und Alt“); den Konfikt zwischen ländlichen, zum Teil marginalisierten Regionen der Kohleförderung (oder Windenergie-Landschaften) und ambitionierten Städten, die vermehrt in Nachhaltigkeit investieren („Stadt und Land“) und den Konfikt zwischen akademisch-umweltbewussten und traditionell-konservativen Bevölkerungsteilen sowie ihren Pendants im politischen Spektrum („Links und Rechts“). Populismen wirken hierbei wie ein Schwamm, der vorhandene Spannungen aufsaugt und transportiert, in Dualismen übersetzt und symbolisch (vermeintlichen) Gegensätzen ein Gesicht verleiht.

Radtke, Jörg / Canzler, Weert / Schreurs, Miranda A. / Wurster, Stefan (Hrsg.) (2019): Energiewende in Zeiten des Populismus. Wiesbaden: Springer VS, S. 5.
Fridays for Future – Demonstration in Berlin (2019), Bild: Thomas Schad

Die in diesem Zitat genannten Dichotomien mögen etwas oberflächlich wirken: gerade ländliche Räume sind manchmal fortschrittlicher in Fragen der Energiewende, als es in urbanen „Blasen“ wahrgenommen wird. Dennoch: die wiederkehrenden medialen Echos auf mehr oder weniger spektakuläre Aktionen aus dem Umfeld der Klimaaktivisten illustrieren ziemlich genau, was die Autoren damit meinen. Oft geht es bei den Reaktionen nicht um eine sachliche Auseinandersetzung, sondern um Ressentiment gegen eine klimabewusste Generation, die es wagt, das eigene Lebenswerk in Frage zu stellen.

Es gehört zum erlernten demagogischen Handwerkszeug von Populisten, solche und andere Konflikte gezielt aufzugreifen und zu eigenen Gunsten zu verschärfen. Bei ‚Populismus‘ werden viele (zurecht) zuallererst an identitäre, neorechte Parteien wie die AfD denken, aber auch an Milieus rund um die selbsternannten „Querdenker“, Coronaleugner, Reichsbürger und Aluhutträger. Die Unverbesserlichen. Die, denen mit Fakten sowieso nicht beizukommen ist. Doch diese Wahrnehmung wird dem weiten Radius des Populismus nicht gerecht.

So lässt sich eine interessante Entwicklung in mehr oder weniger etablierten, populistischen Kreisen beobachten: die selektive Akzeptanz des Klimawandels. Die Journalistin Yasmeen Serhan vom US-amerikanischen Atlantic hat (unter anderem auf der Grundlage einer Studie des Berliner Think Tanks adelphi) in Europa ganz unterschiedliche Zugänge populistischer Parteien zum Thema Klimawandel festgestellt. Grundsätzlich habe sich das Thema Klimawandel in Europa als weniger polarisierend herausgestellt als an anderen Orten der Welt, wie etwa in den USA: wer die Karte der Klimawandelleugnung ausspielen wolle, profitiere weniger von öffentlicher Zustimmung als bei der Scharfmacherei in anderen Themenfeldern (zum Beispiel Migration). Schließlich ist der Klimawandel so stark fühlbar, auch für die eingefleischtesten Rechtspopulisten, dass offene Verleugnung zunehmend absurd wäre. Einige populistische Parteien in Europa, wie Vox (Spanien) und Rassemblement National (Frankreich), sind dazu übergegangen, den Klimawandel in ihre eigene Erzählung zu integrieren. Dabei sei aber kennzeichnend, so Serhan, dass lokale Aspekte des Umweltschutzes der Heimat hochgehalten würden — während globale Zusammenhänge weiterhin abgestritten, internationale Abkommen zum Klimaschutz bekämpft werden könnten.

Pseudo-Wissenschaft, Klimawandel und Politik

Man mag sich damit trösten, dass wenigstens in der Wissenschaft heute breiter Konsens herrscht, was die Ursachen, den Verlauf und die Perspektiven des Klimawandels betrifft. Das ist einerseits richtig: zumindest in der deutschsprachigen Wissenschaftsgemeinschaft ist offene Negierung des menschgemachten Klimawandels kaum mehr vorstellbar — geschweige denn mehrheitsfähig. Außerdem ist zu würdigen, dass sich zahlreiche Gruppen der Scientists for Future gebildet haben, in denen sich Wissenschaftler:innen unterschiedlichster Disziplinen neben (und zusammen mit) ihren alltäglichen Aufgaben die Mühe machen, sich zu engagieren. Ich selbst profitiere durch die Mitgliedschaft in einer Berliner Regionalgruppe sehr davon.

Allerdings darf der Blick auf das globale Phänomen Klimawandel nicht national eingegrenzt bleiben. Besonders frappierend ist der Blick auf die USA, einem Land größter Widersprüche. Es ist das Land mit dem zweitgrößten Emissionenausstoß nach China — andererseits aber als Top-Standort für Wissenschaft, Forschung und Innovation bekannt. Nach wie vor nehmen sich viele liberale Aktivisten, verständlicherweise, ein Beispiel an zivilgesellschaftlichen und intellektuellen Diskursen in den USA. Gleichzeitig ist es ausgerechnet dort 2016 zum Wahlsieg des Trump-Regimes an der Spitze der populistischen Republikanischen Partei gekommen. Die bekannte Republikanerin Sarah Palin aus Alaska hatte wenige Jahre vor der Trump-Wahl (2011) mit Sätzen wie „I love that smell of the emissions“ (Ich liebe diesen Geruch der Emissionen) von sich reden gemacht (Klein 2014, S. 3). Donald Trump ging nach der Wahl erst einmal dazu über, den Schutzstatus von Nationalparks aufzuweichen und landesweit das Fracking voranzutreiben. Dass die USA bereits 2001 die Ratifikation des Kyoto-Protokolls als einem ersten Meilenstein ablehnten, geht dabei fast unter.

In den USA zeigt sich eine problematische Verwobenheit der Felder Populismus und Pseudo- oder Auftragswissenschaft. Wie die kanadische Autorin Naomi Klein (2014) vor der populistischen Trump-Wahl in den USA (2016) gezeigt hat, spielten pseudo-wissenschaftliche Think Tanks und Lobbyorganisationen eine unrühmliche Rolle bei der jahrelangen Verbreitung von Desinformation und Verwässerung von Daten:

The Heritage Foundation is hawking reports, as are the Cato Institute and the Ayn Rand Institute. The climate change denial movement — far from an organic convergence of „skeptical“ scientists — is entirely a creature of the ideological network on display here, the very one that deserves the bulk of the credit for redrawing the global ideological map over the last four decades. A 2013 study by Riley Dunlap and political scientist Peter Jacques found that a striking 72 percent of climate denial books, mostly published since the 1990s, were linked to right-wing think tanks, a figure that rises to 87 percent if self-published books (increasingly common) are excluded.

Die Heritage Foundation verhökert Berichte, ebenso wie das Cato Institute und das Ayn Rand Institute. Die Bewegung zur Leugnung des Klimawandels – weit entfernt von einer organischen Konvergenz „skeptischer“ Wissenschaftler – ist ganz und gar ein Geschöpf des hier gezeigten ideologischen Netzwerks, das den größten Teil des Verdienstes für die Neugestaltung der globalen ideologischen Landkarte in den letzten vier Jahrzehnten verdient hat. Eine Studie von Riley Dunlap und dem Politikwissenschaftler Peter Jacques aus dem Jahr 2013 ergab, dass auffallende 72 Prozent der klimaleugnenden Bücher, die größtenteils seit den 1990er Jahren veröffentlicht wurden, mit rechtsgerichteten Denkfabriken in Verbindung stehen, eine Zahl, die auf 87 Prozent ansteigt, wenn selbst veröffentlichte Bücher (die immer häufiger werden) ausgeschlossen werden.

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Klein, Naomi (2014). This Changes Everything. Capitalism vs. the Climate. London/New York: Penguin Books, S. 38.

Man könnte einwenden, die zitierte Publikation von Naomi Klein sei in unserer schnell voranschreitenden Zeit bereits völlig veraltet. Leider ist das Thema der populistischen Verwässerung des Klimadiskurses aber nach wie vor unvermindert relevant. Außerdem steht den USA womöglich sogar eine zweite Trump-Wahl bevor. Es wäre also zu früh, von einer Trendwende in der Populismusentwicklung auszugehen. Doch zum Glück stellen die bisher genannten Beispiele nur eine Seite der Medaille dar.

Einige Beispiele populärer Wissenschaftskommunikation

Auf der anderen Seite wächst nämlich der Bestand an (populär-)wissenschaftlicher Literatur und medialer Produktionen, die sich der Thematik nicht ideologisch, sondern faktenbasiert stellen — was natürlich nicht heißt, dass über die Inhalte nicht gestritten werden darf. Aufgrund der Dringlichkeit und Totalität des Themas ist es aber zuerst einmal begrüßenswert und außerordentlich wichtig, dass es Wissenschaftlern und Journalisten1Ich finde es schwierig, Journalist:innen, Wissenschaftsjournalist:innen oder Sachbuchautor:innen, die nicht direkt im Feld der Wissenschaft tätig sind, hier auszuschließen. Worauf ich bei der Auswahl wert gelegt habe, ist die Methode, nämlich faktenbasiert und mit Belegen zu arbeiten. in einfacher (niedrigschwelliger) Sprache gelingt, konstruktive Kritik und politische Ideen in eine möglichst weite Öffentlichkeit zu tragen. Im folgenden nenne ich ganz kurz einige Beispiele, die gerade bei mir auf dem Schreibtisch liegen. Ulrike Herrmanns Buch bekommt — zumindest bis jetzt — etwas mehr Raum, was daran liegt, dass ich gerade dabei bin, darüber einen längeren Beitrag zu verfassen. Das bedeutet weder, dass die anderen genannten Beispiele weniger relevant wären, noch beansprucht dieser Überblick Vollständigkeit.

50 Jahre nach den „Grenzen des Wachstums“

Geordnet wegzukommen vom Kapitalismus, hin zu einem grünen Schrumpfen, müsse oberstes Gebot sein, wenn man der Taz-Journalistin und Sachbuchautorin Ulrike Herrmann folgt. Ihr Buch Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden (2022) gliedert sich in drei Hauptteile, von denen der erste über die Geschichte des kapitalistischen Wachsens am längsten ist — was mir als Historiker sofort einleuchtet.

Unter Der Aufstieg des Kapitals geht es ihr hauptsächlich darum, zu erklären, warum Wachstum und Kapitalismus so unzertrennlich zusammengehören. Dabei räumt sie (zumindest aus ihrer Sicht) mit einigen gängigen Denkweisen und Urteilen über das Wesen des Kapitalismus auf. Dazu gehört auch der Vorwurf an sie selbst, Kapitalismuskritikerin zu sein. Ein „Missverständniss“, so Herrmann: der Kapitalismus sei großartig und habe der Menschheit viel Wohlstand, ein längeres Leben, Freiheit und atemberaubende Innovationen gebracht. Der größte Haken bei der Sache: „Die Welt wird zerstört“ (S. 97 ff.). Wie Herrmann nicht müde wird, vorzurechnen, können wir nicht leben, als hätten wir drei Planeten, während wir de facto auf eine einzige Erde beschränkt sind. Der Kapitalismus folge

der Logik der Krebszelle. Er muss unaufhörlich wachsen und zerstört damit erst seine Umwelt – und dann sich selbst.

Herrmann, Ulrike (2022): Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden. Köln: Kiepenheuer & Witsch, S. 96.

Im zweiten Teil „Grünes Wachstum gibt es nicht“ (S. 115 ff.) setzt sie sich mit der Frage auseinander, ob es grünes Wachstum geben könne. Wäre es nicht möglich, über gezielte Förderung durch Politik und Wissenschaft einen Zustand zu erreichen, in dem man erstens nicht mehr von autokratischen Regimen und ihren fossilen Energiereserven abhängig wäre? In dem Emissionen wie CO2, Methan (u.a.) effektiv und „klimaneutral“ ganz vermieden werden könnten? Dieser (schönen) Vorstellung macht die gelernte Bankkauffrau Herrmann allerdings einen buchhalterischen Strich durch die Rechnung: das Problem seien die Faktoren Zeit, der Stand der Technologie, sowie die schiere Menge an Energieverbrauch. Mit grüner Energie bekommen wir das in der nötigen Zeitspanne nicht gewuppt. Überall Deadlines, Kippmomente, dazu Unvorhersehbares und dazu noch: teuer. Gerade das E-Auto, aber auch die jetzt wieder erwogene Atomkraft, stellten trügerische Sackgassen dar.

Deshalb bietet sie im dritten Teil, „Das Ende des Kapitalismus“, einen pragmatischen Ausblick auf die Zukunft: wir müssen schrumpfen. Da es keinen Kapitalismus geben könne, der nicht wächst, sei auch kein Stehenbleiben beim bisher Erreichten möglich. Als Historikerin hat sie sich nach Beispielen bisheriger Verschrumpfungen kapitalistischer Wirtschaftssysteme umgesehen — und wurde bei der britischen Kriegswirtschaft von 1939-1945 fündig (S. 229 ff.). Wir müssten zwar nicht „zurück in die Steinzeit“; individueller PKW-Verkehr oder drei Tage Malle seien aber nicht vorstellbar. Kostbare und begrenzte Ressourcen müssten kontrolliert verbraucht werden, und das Motto der Markt regelt das wäre auch von gestern.

Die Alternative sei keinesfalls, dass man bei Wachstum und Kapitalismus bleiben könne, als handle es sich dabei um eine Frage der politischen Präferenz, für oder wider welche man sich entscheiden könnte: Wachstum und Kapitalismus würden sich ohnehin von selbst erledigen, wenn auch unter unbeherrschbaren Bedingungen und Auswirkungen. Das von Herrmann postulierte Ende des Wachstums ist freilich keine neue Erkenntnis. Bereits vor 50 Jahren (1972) kam der Club of Rome mit seiner Studie Die Grenzen des Wachstums — Bericht des Clubs of Rome zur Lage der Menschheit zu diesem Befund. Daran knüpfen auch Franz Alt und Ernst Ulrich von Weizsäcker mit ihrem Buch Der Planet ist geplündert: Was wir jetzt tun müssen an.

Eckart von Hirschhausen: Mensch, Erde!

Mit dem Vergleich zur Krebszelle greift Ulrike Herrmann eine inzwischen weit verbreitete, medizinische Metapher auf, die auch der bekannte deutsche Fernseharzt und Kabarettist Eckart von Hirschhausen öffentlich geäußert hat. Im Sommer 2021, im Schatten der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und NRW, ist dem stets freundlich aufgelegten Hirschhausen bei Maybritt Illner aber einmal ganz ordentlich die Hutschnur gerissen. Oder — in seinen eigenen Worten: „Diese Priorisierung von Wirtschaft geht mir auf den Sack“. Hirschhausen hat im vergangenen Jahr (2021) ein Buch mit dem Titel Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben veröffentlicht, in dem er von seinen persönlichen Beobachtungen des Klimawandels und der Umweltverschmutzung in Europa ausgehend Alternativen aufzeigt: ob für das Freizeitverhalten, die Ernährung oder andere Aspekte des Alltags. Ich habe das Buch noch nicht ganz zu Ende gelesen, aber es ist auf Anhieb ansprechend und im gewohnten, humorvollen Duktus geschrieben.

Erneuerbare Energien

Wer über die Energiewende und praktische Lösungen nachdenkt, muss sich mit den Möglichkeiten erneuerbarer Energien auseinandersetzen. Ein gutes Beispiel bietet das nicht nur inhaltlich reichhaltige und gleichzeitig gut verständliche, sondern auch besonders ansprechend gestaltete Buch Erneuerbare Energien zum Verstehen und Mitreden von Christian Holler, Joachim Gaukel, Harald Lesch und Florian Lesch: es liefert nicht nur einen Überblick über alle bisher genutzten erneuerbaren Energien, sondern klärt auch über Potenziale und Grenzen von Energiequellen wie Geothermie auf, die heute (zumindest außerhalb Islands) nur eine eher geringe Rolle spielen. Diesem Buch ist anzumerken, dass die medialen Erfahrungen des Ko-Autors Harald Lesch eingeflossen sind, der vielen Menschen in Deutschland aus dem Fernsehen bekannt ist.

Besonders erwähnenswert sind ebenso die zahlreichen Arbeiten von Volker Quaschning, Professor für das Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin und Sprecher für den Studiengang Regenerative Energien. Zusammen mit Cornelia Quaschning hat er Anfang des Jahres (2022) ein neues Sachbuch herausgebracht: Energierevolution JETZT! Mobilität, Wohnen, grüner Strom und Wasserstoff: Was führt uns aus der Klimakrise – und was nicht? Auffallend an der Wissenschaftskommunikation von Quaschning sind die Podcasts, zu denen er auf seiner Seite verlinkt, aber auch die Kurzvideos mit Fakten über die Thematik der Energiewende, die er zum Beispiel über das Karrierenetzwerk LinkedIn teilt.

Globale Perspektiven

In der englischsprachigen und globalen Öffentlichkeit sind Naomi Kleins Publikationen zu nennen, wie das oben genannte, bereits 2014 veröffentlichte Buch This Changes Everything, das auf Deutsch unter dem Titel Die Entscheidung: Kapitalismus versus Klima erschienen ist. Zuletzt (2021) ist auf Deutsch ihre jüngste Publikation How to Change Everything: Wie wir alles ändern können und die Zukunft retten erschienen, die sie zusammen mit der Autorin Rebecca Stefoff verfasst hat, die sich auf die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte an eine jugendliche Leserschaft spezialisiert hat. So beginnt das Buch auch mit dem Phänomen der aufkommenden Schulstreiks für das Klima — und natürlich mit Greta Thunberg, der ersten Streikenden.

Im Alter von elf Jahren bekam Greta eine schwere Depression, die sich hartnäckig hielt. Sie konnte sich auch deswegen nicht so leicht daraus befreien, weil sie an einer bestimmten Form von Autismus litt. Diese sorgte dafür, dass sie sich in Themen, die sie interessierten, immer mehr vertiefte und nicht mehr davon loskam. Wie mit einem Laserstrahl richtete Greta ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Zusammenbruch des Klimas. Sie sah dessen Folgen und spürte sie am eigenen Körper. Nichts konnte sie ablenken. Sie fühlte Angst und Trauer um den Planeten und konnte einfach nicht begreifen, warum die Mächtigen dieser Welt so wenig gegen den Klimawandel unternahmen. Empfanden sie nicht auch Angst? Und Wut?

Klein, Naomi und Stefoff, Rebecca (2021). How to Change Everything: Wie wir alles ändern können und die Zukunft retten. Hamburg: Hoffmann und Campe, S. 24.

Greta Thunbergs Wut ist ein weiteres Beispiel dafür, wie aus der eingangs zitierten Angst Motivation und Aufbruch enstehen kann. Ihre Wut hat es jedenfalls erfolgreich geschafft, eine globale Öffentlichkeit zu erreichen: ihr letztlich unerschrockenes „How dare you?“ bei ihrer Rede auf dem UN Klimagipfel im September 2019 in New York dürfte sich vielen Menschen eingeprägt haben. Und bei Gretas Wut ist es nicht geblieben: eines der Highlights unter den Klimawandel-Publikationen ist zweifellos Das Klimabuch von Greta Thunberg (2022). In diesem fast 500seitigen Nachschlagewerk hat sie es geschafft, Stimmen aus allen Ecken der Welt zusammenzubringen. Dadurch entgeht sie dem oft geäußerten Unbehagen daran, dass es hauptsächlich der globale Norden war (und ist), der für die Emissionen verantwortlich zeichnet, während die Hauptleidtragenden im globalen Süden im Diskurs kaum je zu Wort kommen.

Klimawandel aus historischer Perspektive

Der gerade stattfindende Klimawandel unterscheidet sich so stark von früheren Klimaveränderungen, dass er als singuläres Phänomen gilt. Dies hat zahlreiche Wissenschaftler veranlasst, vom Einsetzen des Anthropozäns zu sprechen: einem neuen Erdzeitalter, welches das Holozän ablöst.2So populär dieser Begriff inzwischen ist, so umstritten ist er weiterhin, was ich an dieser Stelle jedoch nicht ausführlich diskutieren kann. Trotzdem ist es lohnend, sich mit geschichtlichen Arbeiten zum Thema Klimawandel zu beschäftigen. Christian Pfister und Heinz Wanner haben mit Klima und Gesellschaft in Europa: die letzten tausend Jahre (2021) einen Überblick über die europäische Klimageschichte vorgelegt, der geologische, meteorologische, umwelt- und sozialgeschichtliche Quellen zusammenführt. Zahlreiche einzelne historiographische Beispiele der Auswirkungen von starken Frost-, Dürre- und Hitzeperioden, aber auch Pandemien und globalen Zusammenhängen, vermitteln Eindrücke über die Langzeitfolgen auf die Entwicklung der Gesellschaft.

Anstelle eines Fazits

Wie gesagt: diese Übersicht über einige der aktuellen Publikationen zur Klimakatastrophe ist keineswegs vollständig. Im Zusammenspiel mit den eingangs angeführten, aber ebenso nur ausschnitthaften Beispielen populistischer Widerstände gegen das Offensichtliche, war es mein Anliegen, einen Blick auf den Diskurs zu werfen, der uns alle angeht. Wie alle Beiträge auf dieser Projektseite ist auch dieser hier dynamisch. Im Laufe der Zeit werde ich eine Sammlung der hier angeführten Referenzen auffüllen, die aber schon durch die Nennung der einzelnen Titel leicht selbst recherchierbar sind. Darin liegt auch ein großer Vorteil des gegenwärtigen Internets und des Prinzips Open Science, das diesem Projekt insgesamt zugrunde liegt. Wie zu sehen ist, mangelt es nicht an Publikationen, die ein ernsthaftes Anliegen verfolgen: Wissen über die zentrale Frage unserer Zeit zu vermitteln. Mein Eindruck ist, dass durchaus „der Schuss gehört“ worden ist. Es mangelt nicht an Wissen und Bewusstsein — und es wurde viel erreicht, was die Frage der Vermittlung von Wissen betrifft. Ein ungelöstes Problem bleibt dabei die Frage, ob wir es schaffen, das vorhandene Wissen konstruktiv umzusetzen.

Post Scriptum: Alle hier verwendeten Bilder sind von mir. Ich habe sie meistens nicht beschriftet, weil ich es noch nicht geschafft habe, das gewünschte Format für die Bildunterschriften herzustellen. Bei Nachfragen aller Art gerne an mich direkt über das Kontaktformular unten.

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