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Wladimir Kara-Mursa über Putins Populismus

In diesem Beitrag gehe ich der Frage nach, ob und wann der Zeitpunkt ermittelt werden kann, ab dem neopopulistische Herrschaft eine Schwelle überschreitet, ab der es zu spät sein könnte, ihre inhärente, progressive Dynamik der sich immer weiter steigernden Eskalation aufzuhalten. Hierbei nehme ich die Eskalationen des Putin-Regimes unter die Lupe, indem ich ein äußerst aufschlussreiches Interview mit dem oppositionellen russischen Politiker Wladimir Kara-Mursa aus dem Jahr 2017 analysiere und kommentiere.

Einleitung

In diesem Beitrag gehe ich der Frage nach, ob und wann der Zeitpunkt ermittelt werden kann, ab dem neopopulistische Herrschaft eine Schwelle überschreitet, ab der es zu spät sein könnte, ihre inhärente, progressive Dynamik der sich immer weiter steigernden Eskalation aufzuhalten. Der Frage nach dem tipping point geht jedoch zwangsläufig jene nach der Denkweise und Funktionslogik neopopulistischer Macht voraus, die für die Genese selbiger entscheidend ist. Zusammen genommen bestehen darin Fragen von großer öffentlicher, politischer Relevanz, weil neopopulistische Regime darauf abzielen, bestehende Institutionen und Verfassungen des politischen Gemeinwesens zu zerstören. Sie stellen also eine öffentliche Bedrohung dar, auch wenn – oder obwohl – populistische Regime immer auf der Grundlage möglichst breiter öffentlicher Zustimmung handeln.

In der Chronologie betrifft die Bedrohung zwar zuallererst Menschen, die den Normalitätsvorstellungen neopopulistischer Regime sowie der Geisteshaltung ihrer Anhängerschaft nicht entsprechen. Wie die gravierenden Folgen der Eskalation des russländischen Putin-Regimes jedoch zeigen, wirken sich die destruktiven Dynamiken des Neopopulismus keinesfalls „nur“ auf Minderheitenvertreter:innen, Dissident:innen und Unangepasste aller Art aus: siebetreffen uns Alle, und zwar innerhalb und außerhalb des ursprünglichen Herrschaftsbereichs des jeweiligen neopopulistischen Regimes (genauer unter Abschnitt 4). Ganze Länder werden mit Krieg überzogen. Grenzen aller Art werden überschritten und jede Normalität bricht zusammen – wenn etwa beim Einkauf plötzlich Raketen einschlagen, wie zuletzt am 28. Juni 2022 in der ukrainischen Stadt Krementschuk. Weltweite Versorgungskrisen, ob auf dem Energie- oder Lebensmittelmarkt, verschärfen sich und können weitere Eskalationen verursachen. Im Zusammenhang mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine war außerdem immer wieder von Weltkriegsgefahr und dem möglichen Einsatz von Nuklearwaffen die Rede. Ich denke, es ist nicht nötig, die Relevanz des Themas an sich noch genauer herauszustellen.

In diesem Beitrag nehme ich die Eskalationen des Putin-Regimes und folgende Fragen unter die Lupe: Gab es hier ein „zu spät“? Und wenn ja – wann genau war das? Wieso wurde diese Frage nicht früher laut vernehmbar gestellt? Warum wurden die heute so prominenten und lauten Diskussionen über Sanktionen und Konsequenzen nicht schon früher ebenso vehement geführt? Um mich möglichen Antworten auf diese Fragen anzunähern, fokussiere ich hier ein äußerst aufschlussreiches Interview mit dem oppositionellen Politiker Wladimir Kara-Mursa1 aus Russland, das der US-amerikanische Journalist Michael Kirk am 25. Juli 2017 als Teil des hervorragenden Sendeformats Frontline der nichtkommerziellen TV-Senderkette Public Broadcasting Service (PBS) geführt hat.2

The Frontline Interview: Vladimir Kara-Murza (Interview mit Michael Kirk vom 25. Juli 2017), PBS Official Site, URL: https://www.pbs.org/wgbh/frontline/interview/vladimir-kara-murza/ (zuletzt abgerufen am 29.6.2022).

Doch wie funktionieren solche Regime eigentlich? Welcher Nutzen kann aus dem Vergleich unterschiedlicher populistischer Regime gezogen werden? Unter anderem diese Frage wurde im April 2022 auf der Podiumsveranstaltung Bosnien 1992 – Ukraine 2022: Reaktionen der Zivilgesellschaft auf den Krieg in der Neuköllner Gropiusstadt bereits diskutiert: Zusammen mit unseren Panelist:innen wollten wir das frisch Geschehene – den Angriffskrieg des Putin-Regimes vom 24. Februar 2022 – sortieren und besser verstehen; wir wollten aber auch die weiter zurückliegenden Jugoslawien-Kriege dazu in Beziehung setzen. Bereits auf dieser Veranstaltung haben wir einige auffällige Parallelen zwischen der populistischen Dynamik der 1980er und 1990er Jahre in (Post-)Jugoslawien und den Entwicklungen in Russland und der Ukraine diskutiert. Dass es starke Analogien und Anziehungskräfte zwischen den auch heute auf dem Balkan virulenten Populismusbewegungen und Russland gibt, wird vielleicht durch nichts besser illustriert als durch die folgenden Bilder von Souvenirständen mit Kühlschrankmagneten aus den touristisch frequentierten Innenstädten Belgrads und Sarajevos – wenn auch auf stark vereinfachende Weise. Doch natürlich war das Podium bei weitem nicht die einzige Veranstaltung, wo über das Denken Putins spekuliert wurde: es wimmelt regelrecht von Zeitungskolumnen, Interviews und hastig schnell neu aufgelegter Fachliteratur zu dem Thema.

Ich werde in den folgenden Abschnitten dieses Beitrags einige wesentliche Aspekte der neopopulistischen Herrschaftsgenese des Putin-Regimes aus Wladimir Kara-Mursas scharfsinniger Analyse herausarbeiten, die dabei helfen können, nicht nur die aktuelle Situation aus der Perspektive eines Insiders der russischen Politik und Medienlandschaft zu verstehen. Ich hoffe, dadurch auch dazu beitragen zu können, die Genese neopopulistischer Herrschaft insgesamt besser zu verstehen – die im russischen Fall bereits seit 23 Jahren ununterbrochen andauert, was wiederum kein Einzelfall ist.4 Das Ziel dieser und weiterer Analysen neopopulistischer Herrschaftsgenese ist es, möglichst fundierte Handlungsmaximen zu entwickeln, wie die Herausforderungen im Umgang mit autoritären, neopopulistischen, männerischen Regimen erfolgreich gemeistert werden können.

Auf den detaillierteren Vergleich werde ich in späteren Arbeiten des Projekts Neopopulismus zurückkommen, wo ich grenzübergreifenden Analogien unterschiedlicher neopopulistischer Regime und ihrer Machtgenese nachgehe. Weil Wladimir Kara-Mursa in der deutschsprachigen Öffentlichkeit – neben anderen russischen Dissidenten, gefallenen Kreml-Vertrauten und Oligarchen wie Michail Borissowitsch Chodorkowski, Garri Kimowitsch Kasparow, Alexei Anatoljewitsch Nawalny oder den ermordeten Anna Politkowskaja und Boris Jefimowitsch Nemzow (u.v.m.) – weitaus weniger bekannt ist, führe ich seine Person im ersten Teil dieses Beitrags ein. Im Hauptteil gehe ich, zweitens, auf Kara-Mursas Einschätzungen und Beschreibungen der Person Wladimir Putins ein, der als ehemaliger KGB-Mann bereits ganz zu Beginn seiner Karriere als Staatsmann zum äußerst beliebten Mittel der Geschichtsrevision gegriffen hat. Drittens hat Putin seine Karriere mit einem weiteren untrüglichen Kennzeichen neopopulistischer Anti-Politik untermauert: dem Einsatz brachialer Gewalt, wie Kara-Mursa am Beispiel Putins Kriegsführung beschreibt. Viertens argumentiert er, dass das Innere und das Äußere Russlands in der Frage der Anwendung von Gewalt schon historisch gesehen immer verschränkt gewesen seien. Fünftens schließlich wittere Putin hinter allem niederträchtige, anti-russische Absichten des Westens, womit er das populistische Register der Verschwörungstheorien zieht. Sechstens analysiert er aber auch dezidiert die Fehler des Westens – darunter besonders die heute so aktuellen und hitzig diskutierten, kurzsichtigen und zynischen Deals. Siebtens benennt er einige Daten, ab wann es bereits zu spät gewesen sein könnte, die Entwicklung der Eskalation aufzuhalten – was aus heutiger Sicht schon ziemlich lange zurückliegt und mit der Putin’schen Durchsetzung rabiater Zensur und Medienkontrolle zusammenfällt. In diesem Zusammenhang sollen auch, achtens, noch einmal frühere Versuche der Sanktionierung diskutiert werden, an denen Kara-Mursa auch selbst mitgearbeitet hat. Als ausgebildeter Historiker bietet er uns, neuntens, Analogien und Kontextualisierungen zu anderen historischen Beispielen an, wie etwa dem italienischen Faschismus vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Er eröffnet daneben zahlreiche weitere, wertvolle Themen und bietet Einschätzungen, die im frei zugänglichen Interview nachgehört oder nachgelesen werden können und hier aus Platz- und Zeitgründen leider nicht ausführlich wiedergegeben werden können.

1. Wladimir Wladimirowitsch Kara-Mursa

Als Sohn des Breschnew-kritischen Journalisten Wladimir Alexeyewitsch Kara-Mursa (1959-2019) wurde Wladimir (Wladimirowitsch) Kara-Mursa 1981 in eine einflussreiche Moskoviter Akademikerfamilie geboren.5 Wladimir Kara-Mursa hat an der renommierten britischen Eliteuniversität Cambridge Geschichte studiert, was sich auch an seinem makellosen Englisch im Interview mit dem US-amerikanischen Journalisten Michael Kirk bemerkbar macht. Kara-Mursas Karriere ist atemberaubend verlaufen: Schon als Teenager war er als Journalist im In- und Ausland tätig, unter anderem von 1997 bis 2000 als Korrespondent für die Zeitung Novye Izvestia und von 2000 bis 2003 für den Kommersant. Laut Wikipedia war er dort anschließend, von 2003-2004, als Korrespondent für das Ressort Außenpolitik zuständig. Zu Kommersant ist erwähnenswert, dass es heute dem Putin nahen Oligarchen Alischer Usmanow gehört, der als prominenter Yachtbesitzer und nouveau riche unmittelbar nach Ausbruch des Krieges 2022 häufig in den europäischen Schlagzeilen auftauchte. Von 2001 bis 2003 hat Kara-Mursa außerdem für den bekannten, kritischen und in den vergangenen Monaten immer wieder in der Presse erwähnten Hörfunksender Echo Moskwy gearbeitet. Dieser wichtige Sender ist 1990 in der Glasnost-Ära entstanden und konnte aus dieser Zeit die Sendelizenz Nummer 1 für sich verbuchen. Bis zuletzt war Echo Moskwy der einzig verbliebene, landesweite Rundfunksender der riesigen Russländischen Föderation, der nicht vom Kreml beherrscht war.6 Von 2004 bis 2005 war er als Washington-Korrespondent der BBC tätig, und bereits als 20-21jähriger junger Mann war er Chefredakteur der Finanzzeitschrift Russian Investment Review mit Sitz in London. Er blickt außerdem auf eine Karriere als Fernsehjournalist beim russischen Auslandssender RTV1 und NTV zurück, worauf er auch im Interview eingeht.

Mindestens ebenso wichtig wie seine Erfahrungen in der Medienbranche sind seine politischen Aktivitäten in Russland und international. Kara-Mursas politische Vita ist zunächst mit den beiden Parteien Demokratische Wahl Russlands7 und der Union der rechten Kräfte8 verbunden; entgegen ihrem Namen galt letztere nicht als rechte, sondern als liberale Partei. Von 2000 bis 2003 war er als enger Berater des Oppositionsführers Boris Nemzow in der russischen Staatsduma tätig; Nemzow, den Kara-Mursa im Interview als seinen besten Freund bezeichnet, wurde 2005 mitten in Moskau in Sichtweite des Kremls ermordet. Auch Wladimir Kara-Mursa selbst hat bereits zwei Mordanschlagsversuche mit Gift überlebt, wobei seine Überlebenschance bei nur fünf Prozent gelegen hatte.

Dass Kara-Mursa dem Oligarchie-System des Putinismus ein Dorn im Auge ist, liegt besonders daran, dass er an der Verabschiedung des sogenannten Magnitskiy Acts in den USA beteiligt war – eines Gesetzes, das 2012 während der Obama-Administration nach der Ermordung des russischen Steuerberaters Sergei Leonidowitsch Magnitski verabschiedet worden war und Sanktionen gegen russische Beamte und Oligarchen ermöglichen sollte. Kara-Mursa pflegte besondere Nähe zum republikanischen politischen Milieu der USA: er war sogar Sargträger des republikanischen Obama-Herausforderers John McCain (gest. 2018) – was mit Blick auf die neopopulistische Entwicklung dieser Partei und besonders die spätere Rolle Trumps aufhorchen lässt. All diese Einblicke machen Kara-Mursa, trotz seines jungen Alters – er war noch nicht ganz volljährig, als Putin am 9. August 1999 das erste Mal russischer Premierminister wurde – zu einem ausgezeichneten Kenner und Gesprächspartner über das Putin-Regime, aber auch zur parteiübergreifenden Kritik an der amerikanischen Außenpolitik.

2. Wladimir Putin: der KGB-Mann

In der Anfangszeit, so Kara-Mursa, habe man noch gefragt, wer Putin überhaupt sei – zum Beispiel beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Jahr 2000. Kaum jemand habe ihn richtig einschätzen können. Laut Kara-Mursa wäre es jedoch auch in dieser Frühphase von Putins Weg zur Alleinherrschaft schon möglich gewesen, zu erkennen, wer hinter dem Unbekannten steckte:

Ich muss sagen, für diejenigen, die bereit sind zu sehen, und für diejenigen, die bereit sind, es zu bemerken, gab es zu der Zeit Anzeichen dafür, wer dieser Typ sein wird.

The Frontline Interview: Vladimir Kara-Murza (Interview mit Michael Kirk vom 25. Juli 2017), PBS Official Site, URL: https://www.pbs.org/wgbh/frontline/interview/vladimir-kara-murza/ (zuletzt abgerufen am 29.6.2022).

Ich werde Ihnen ein Beispiel geben. Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem mir klar wurde, wer Wladimir Putin ist. Das war der 20. Dezember 1999. Das war 11 Tage bevor er amtierender Präsident werden sollte. Er war noch Premierminister, Boris Jelzin war noch Präsident. An diesem Tag tat Herr Putin zwei Dinge. Der 20. Dezember ist der Tag der Tschekisten, der Tag der Gründung der Tscheka, des KGB, der sowjetischen Geheimpolizei, die übrigens erstaunlicherweise auch heute noch offiziell in Russland gefeiert wird. An diesem Tag enthüllte er eine Gedenktafel für seinen Mentor Juri Andropow am KGB-Hauptquartier in Moskau, am Lubjanka-Platz. Juri Andropow war der langjährige Vorsitzende des sowjetischen KGB und berüchtigt für die Einrichtung der Fünften Direktion, einer Sonderabteilung innerhalb des KGB, die mit der Unterdrückung politisch Andersdenkender beauftragt war. Er verfolgte Dissidenten in der Sowjetunion. Er war geradezu berüchtigt dafür, dass er die Praxis der Strafpsychiatrie einführte. Dabei wurden Dissidenten für geistig unzurechnungsfähig erklärt und in psychiatrische Kliniken eingewiesen. Wer gegen das Sowjetregime war, wurde für unzurechnungsfähig erklärt. Genau das hat Andropow getan. Am 20. Dezember 1999 weihte Putin eine Gedenktafel für Andropow ein, um ihn zu ehren und zu würdigen. Am selben Abend sprach er auf einer Versammlung von KGB-Veteranen in Moskau und sagte vor laufenden Kameras und mit einem Lächeln im Gesicht: „Ich kann Ihnen berichten, dass eine Gruppe von FSB-Offizieren, die in der Regierung der Russischen Föderation verdeckt arbeiten sollen, ihren Auftrag erfüllt“, und alle begannen zu klatschen.

The Frontline Interview: Vladimir Kara-Murza (Interview mit Michael Kirk vom 25. Juli 2017), PBS Official Site, URL: https://www.pbs.org/wgbh/frontline/interview/vladimir-kara-murza/ (zuletzt abgerufen am 29.6.2022).

Hier tritt eines der typischen Kennzeichen (neo-)populistischer Herrschaftspraxis zu Tage, nämlich Geschichtsrevisionismus: Geschichte wird durch Populisten eigenen Bedürfnissen entsprechend zugeschnitten, umkomponiert, bewertet und instrumentalisiert. Putin, der seine Karriere dem KGB verdankt und den Niedergang der Sowjetunion als „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet hat, muss die selbst inszenierte Rehabilitierung von Andropow wie eine frühe Bestätigung seiner vermeintlichen Allmacht vorgekommen sein. Von diesem Wintertag 1999 führt bis in die Gegenwart eine Linie geschichtsrevisionistischer Entwicklung, die sich in der jahrelangen Gängelung des russischen Menschenrechtsvereins Memorial nachzeichnen lässt: Memorial kann als nicht-revisionistische Antipode zu Putins Geschichtsbild gesehen werden, da der Verein gegründet worden war, um genau die Verbrechen aufzuarbeiten, deren Verantwortliche Putin wieder rehabilitiert hat. Das Verbot von Memorial im Dezember 2021 – fast auf den Tag genau 22 Jahre nach der Weihung der Gedenktafel für Andropow und kurz vor der erneuten Ukraine-Invasion am 24. Feburar 2022 – ist daher nicht weniger als der logische Schlusspunkt dieser Linie.

3. Der Nutzen von Gewalt

Der Wandel hin zu Putins schrittweisem Ausbau seiner eigenen politischen Karriere und persönlichen Macht steht in engem Zusammenhang mit der Serie obskurer Sprengungen von Wohnhäusern, die jeweils mitten in der Nacht stattfanden und mehr als 300 Menschen getötet haben. Sie fanden im September 1999 in den Städten Moskau, Buinaksk (Dagestan) und Wolgodonsk (Oblast Rostow) statt. Diese schrecklichen Ereignisse wurden von Putin auf tschetschenische Terroristen zurückgeführt und konnten so zum Anlass genommen werden, den äußerst brutalen, zweiten Tschetschenien-Krieg (1999-2009) loszutreten. In Russland hatte die Demokratie der Jelzin-Ära, die Putin direkt vorausgegangen war, einen ohnehin schon schweren Stand: Das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie war am Ende des ersten, schweren postsowjetischen Jahrzehnts zutiefst erschüttert; der alkoholkranke Präsident Jelzin mit seinen peinlichen Auftritten muss einen demoralisierenden Effekt ausgeübt haben. Laut Kara-Mursa habe Putin das entschlossene, kriegerische Engagement sehr zum eigenen Nutzen gereicht:

Innerhalb weniger Wochen wurde er von einem Niemand zu einem Gewinner der Parlamentswahlen – seine Partei gewann die Parlamentswahlen im Dezember 1999 auf dem Rücken der militärischen Kampagne in Tschetschenien, auf dem Rücken dieser Massenhysterie und der Forderung, dass die Regierung etwas tun sollte, und er schien etwas zu tun.

The Frontline Interview: Vladimir Kara-Murza (Interview mit Michael Kirk vom 25. Juli 2017), PBS Official Site, URL: https://www.pbs.org/wgbh/frontline/interview/vladimir-kara-murza/ (zuletzt abgerufen am 29.6.2022).

Er gewann die Parlamentswahlen im Dezember, und dann, wie wir alle wissen, gab Präsident Jelzin in der Silvesternacht, am 31. Dezember 1999, überraschend seinen Rücktritt bekannt, und Putin übernahm zunächst das Amt des russischen Präsidenten. Im März 2000 gewann er die Präsidentschaftswahlen.

The Frontline Interview: Vladimir Kara-Murza (Interview mit Michael Kirk vom 25. Juli 2017), PBS Official Site, URL: https://www.pbs.org/wgbh/frontline/interview/vladimir-kara-murza/ (zuletzt abgerufen am 29.6.2022).

Typisch für neopopulistische Diskurse ist der Ruf nach der „starken Hand“: ihr alleine wird zugetraut, Sicherheitsprobleme effektiv lösen zu können – und welcher „Beweis“ wiegt schon schwerer als ein gewonnener Krieg? Die „starke Hand“ stellt aber auch außerhalb des Krieges eine recht zuverlässige Strategie dar, die Putin immer wieder angewandt hat. Ein weiteres bekanntes Beispiel dafür war die Erstürmung der Schule von Beslan in Nordossetien 2004, als nach offiziellen Angaben 331 Geiseln getötet wurden – die meisten davon Kinder. Sie zeigt sich aber auch in Putins weit über Russland hinaus bekannten, medialen Inszenierungen als „echter Mann“ mit entblößtem Oberkörper. Dazu passen auch die neopatriarchalen, männerischen Hasskampagnen gegen Russlands LGBTQ-Bevölkerung, die Stärkung ultrakonservativer Strömungen der orthodoxen Kirche mit ihren „Wertvorstellungen“, die Betonung der traditionellen russischen Kernfamilie mit der ergebenen Rolle der russischen Frau und der Verfolgung feministischer Aktivist:innen, wie Pussy Riot und Femen.

4. Das Innere und das Äußere Russlands

Die Herrschaft des Regimes in die kleinsten Einheiten der Gesellschaft hinein bildet aber auch eine Parallele zur Herrschaftslogik den „kleinen Völkern“ gegenüber: ob Tschetschenen, Dagestaner, Georgier, Ukrainer, Moldawier oder anderen gegenüber. Aus seinem Erfahrungshorizont der späten, untergehenden Sowjetunion, deren totalen Institutionen von Militär und KGB er seine Karriere verdankt, erklärt sich auch vielen anderen Einschätzungen nach Putins antiwestliche Haltung. Dem siegreich aus dem Kalten Krieg hervorgegangenen Westen kann er so auch grundsätzlich alle Schuld zuweisen – besonders in den für ihn gefährlichsten Situationen überhaupt. Eine solche Situation war für Putin 2011 und 2012 eingetreten, als sich die Menschen in Russland zu massenhaften Protesten gegen das Regime erhoben. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte im Verlauf der Wahlen festgestellt, dass es zu Betrug im großen Stil gekommen war. Im selben Zusammenhang muss aber auch die Reaktion Putins auf die sogenannten Farbrevolutionen der „kleinen Völker“ im postsowjetischen Raum (Ukraine und Georgien) gesehen werden – sowie hinsichtlich der Protestbewegungen im traditionell mit Russland verbündeten Serbien.

Ein besonders illustratives Beispiel bietet der russische Umgang mit der Ukraine seit den 2000er Jahren. Laut Kara-Mursa sei es für Putin absolut unerträglich gewesen, mitansehen zu müssen, wie Janukowitsch durch die demokratische Maidan-Bewegung hinweggefegt wurde und schließlich einen Helikopter besteigen musste, um aus dem Land zu fliehen. Er habe große Angst davor gehabt, dass aus dem Maidan von Kiew ein Maidan von Moskau werden könnte; gleichermaßen muss es ihn in Panik versetzt haben, als es in den vergangenen Jahren zu massenhaften Aufständen in Belarus gegen den dortigen Autokraten Lukaschenko gekommen war – der sich ohne ein mehr oder weniger massives Eingreifen Russlands wohl kaum hätte an der Macht halten können.

In gewisser Weise ist das, was Putin in der Ukraine tut, ein Stellvertreterkrieg gegen die russische Gesellschaft, mit dem er versucht, die gleichen politischen Entwicklungen zu verhindern, die in der Ukraine stattgefunden haben.

The Frontline Interview: Vladimir Kara-Murza (Interview mit Michael Kirk vom 25. Juli 2017), PBS Official Site, URL: https://www.pbs.org/wgbh/frontline/interview/vladimir-kara-murza/ (zuletzt abgerufen am 29.6.2022).

Wie Kara-Mursa es hier formuliert, kann man also von einer wahren Verwobenheit des Inneren und des Äußeren, des Großen und des Kleinen, im russischen, neopopulistischen Diskurs sprechen. Dies sei in Russland aber schon geschichtlich so veranlagt:

Man muss verstehen, wie die russische politische Geschichte funktioniert und wie die russische politische Dynamik funktioniert, zumindest in der Neuzeit, dass es eine direkte Korrelation zwischen dem innenpolitischen Charakter des Regimes und seinem Verhalten im Ausland, seinem Verhalten außerhalb der russischen Grenzen, gibt. Auf die Unterdrückung im Inland folgt früher oder später unweigerlich eine Aggression nach außen. Das ist absolut logisch, wenn man darüber nachdenkt. Warum sollte man von einer Regierung, die die Rechte ihrer eigenen Bevölkerung verletzt und ihre eigenen Gesetze bricht, erwarten, dass sie sich an internationale Normen hält und die Interessen anderer Länder oder internationale Grenzen respektiert?

The Frontline Interview: Vladimir Kara-Murza (Interview mit Michael Kirk vom 25. Juli 2017), PBS Official Site, URL: https://www.pbs.org/wgbh/frontline/interview/vladimir-kara-murza/ (zuletzt abgerufen am 29.6.2022).

Andere Beispiele und Analogien aus der modernen russischen Geschichte der Neuzeit drängen sich schnell auf: man denke nur auf die Übergriffigkeiten in den mittel- und osteuropäischen Staaten während der europäischen Teilung, wie die Interventionen in der Tschechoslowakei oder in Ungarn während des Kalten Krieges.

5. Die antirussische Verschwörung aus dem Westen

Putin ist sich darüber im Klaren, dass ein erfolgreicher Verlauf der Proteste sein Ende bedeutet hätte. Deshalb hat er zu einem der wirkmächtigsten rhetorischen Mittel von Populisten weltweit gegriffen – der Verschwörungstheorie:

Das war die Botschaft, die Propagandabotschaft, dass dies alles von westlichen Marionettenmachern gemacht wurde, um zu versuchen, ihn, Putin, zu treffen. Diese Botschaft wiederholte er in Bezug auf die russischen Proteste in Moskau und anderen Städten Russlands in den Jahren 2011 und 2012. (…)

The Frontline Interview: Vladimir Kara-Murza (Interview mit Michael Kirk vom 25. Juli 2017), PBS Official Site, URL: https://www.pbs.org/wgbh/frontline/interview/vladimir-kara-murza/ (zuletzt abgerufen am 29.6.2022).

Da es in diesem Beitrag um die Frage geht, was (nicht mehr) getan werden kann und wann es womöglich zu spät ist, noch zu handeln, eröffnet sich hier ein ganz schwerwiegendes, praktisches Problem: sofern man versucht, die möglichen Akteur:innen des des noch etwas tun Könnens in ausländischen – westlichen – Regierungen zu suchen, werden Sprechakte ausländischer Regierungsvertreter:innen zugunsten der Protestierenden mit allergrößter Wahrscheinlichkeit scheitern oder völlig nach hinten losgehen, indem sie als „Beweismittel“ in die Verschwörungstheorie integriert werden. Unabhängig davon, welche Intention dahinterstecken mag, können solche Sprechakte dienlich gemacht werden, um zu zeigen, dass „tatsächlich“ ausländische Interessen hinter den Protesten stehen – aber keinesfalls die Unzufriedenheit der eigenen Bevölkerung, die ihre politischen Rechte einfordert. Fakten und überprüfbare Daten spielen in neopopulistischen, männerischen Regimen höchstens eine kreative Rolle – denn diese werden selbst produziert:

Natürlich war Putin wütend, und der Kreml war wütend. Sie sagten: „Das ist eine Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten“ und so weiter und so fort, eine Lieblingsfloskel übrigens, die sie benutzen, obwohl diese Floskel eine Lüge ist, denn Russland ist Vollmitglied der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, ebenso wie die Vereinigten Staaten, ebenso wie jedes Land in der Europäischen Union. Die Regeln dieser Organisation und die Statuten dieser Organisation besagen schwarz auf weiß, dass Angelegenheiten, die die Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte und die Demokratie betreffen, einschließlich der Wahlstandards, nicht als interne Angelegenheiten betrachtet werden können. Sie sind Gegenstand internationaler Verpflichtungen und internationaler Belange. Wenn also Wladimir Putin und [Außenminister] Sergej Lawrow sagen, dass dies Einmischungen in innere Angelegenheiten sind, dann sprechen sie – wie soll ich es am diplomatischsten ausdrücken – falsch (they are misspeaking).

The Frontline Interview: Vladimir Kara-Murza (Interview mit Michael Kirk vom 25. Juli 2017), PBS Official Site, URL: https://www.pbs.org/wgbh/frontline/interview/vladimir-kara-murza/ (zuletzt abgerufen am 29.6.2022).

Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten? – Dies gilt nicht für populistische Vertragspartner, die ihre eigenen Regeln aufstellen. Es handelt sich dabei um eine eingeübte Strategie, so Kara-Mursa:

Das ist nichts besonders Neues. Das ist es, was er tut, wenn er politisch unter Druck gerät: Er beginnt, die Menschen für seine Probleme verantwortlich zu machen. Anstatt einfach zuzugeben und zu akzeptieren, dass immer mehr Russen mit seiner Herrschaft unzufrieden sind und anfangen, gegen ihn zu protestieren, behauptet er, dass dies alles Verschwörungen sind, die von einigen Regierungen im Westen angezettelt wurden.

The Frontline Interview: Vladimir Kara-Murza (Interview mit Michael Kirk vom 25. Juli 2017), PBS Official Site, URL: https://www.pbs.org/wgbh/frontline/interview/vladimir-kara-murza/ (zuletzt abgerufen am 29.6.2022).

Ein Muster, das sich in ganz ähnlicher Form in unzähligen anderen Protestbewegungen und ihren Niederschlagungen durch neopopulistische Regime wiederfindet: wenn nicht der Westen, dann werden Terroristen oder andere Feinde verantwortlich gemacht.9 Jede sprechaktliche Reaktion sollte im Fall von Protesten gegen neopopulistische Regime also unbedingt antizipieren, dass ihnen das eigene Wort im Mund herumgedreht werden wird, und dass am Ende tatsächlich auf nichts „Verlass“ ist. Will man Putin treffen, so müssen also unbedingt subtilere Wege gewählt werden, um die öffentliche Meinung in Russland zu beeinflussen.

6. Fehler westlicher Regierungen

Nahezu alles spricht dafür, dass der Spielraum, ein neopopulistisches Regime an der Eskalation seiner eigenen, selbstzentrierten Logik zu hindern, im Bereich der Prävention wesentlich größer ist als im äußerst eng abgesteckten Radius der Reaktion und des Getriebenseins. Doch gerade hinsichtlich möglich gewesener, proaktiver Außenpolitik geht Kara-Mursa mit westlichen Regierungen hart ins Gericht – berechtigterweise, wie wir heute wissen. Gerade das Verhältnis der demokratischen Obama-Administration zum Putin-Regime bezeichnet er als „Ironie“:

Eigentlich eine ziemliche Ironie in Bezug auf die Obama-Regierung, denn die Obama-Regierung war diejenige, die ein ‚Reset‘ in den Beziehungen zum Putin-Regime ausgerufen hatte. Präsident Obama hatte Putin öffentlich als jemanden gelobt, der im Namen des russischen Volkes Großartiges geleistet hat, und Hillary Clinton war diejenige, die den Reset-Knopf gedrückt hat. Ich denke, dass all dies auch eine sehr wichtige Lektion enthält. Beide vorherigen US-Präsidenten, und technisch gesehen war Bill Clinton der erste Präsident, der sich mit Putin traf, aber er war nur da – er war im Grunde genommen eine „lahme Ente“ zu diesem Zeitpunkt. Es war sein letztes Jahr, oder so; er hatte nicht wirklich die Möglichkeit, viel zu tun. Aber beide US-Präsidenten, die ihre volle Amtszeit unter Wladimir Putin hatten, George W. Bush und Barack Obama, versuchten, sich mit ihm anzufreunden, wie wir alle wissen. Wir erinnern uns daran, wie George W. Bush Putin in die Augen schaute, einen Eindruck von seiner Seele bekam und Putin als wahren Reformer lobte. Wir erinnern uns an Barack Obama, der einen Neustart in den Beziehungen zum Putin-Regime verkündete und Putin als jemanden lobte, der im Namen des russischen Volkes enorme Arbeit geleistet hat.

The Frontline Interview: Vladimir Kara-Murza (Interview mit Michael Kirk vom 25. Juli 2017), PBS Official Site, URL: https://www.pbs.org/wgbh/frontline/interview/vladimir-kara-murza/ (zuletzt abgerufen am 29.6.2022).

Kara-Mursa erwähnt auch die unrühmliche Rolle Großbritanniens, geht aber nicht genauer auf die viel gravierendere Rolle Deutschlands ein, das sich in der Energiefrage viel stärker als viele andere westliche Staaten vom Putin-Regime abhängig gemacht hat. Die Diskussionen über die heute unübersehbaren Fehler aller deutscher Regierungen im Umgang mit dem Putin-Regime seit dem Kabinett Schröder I (1998-2002) verdienen eine eigene Analyse. Dennoch zeigen sich hier eindeutige Parallelen zum aktuellen Diskurs:

… Das war sehr naiv und nicht sehr weise und weitsichtig, eine freundschaftliche Beziehung zu einem korrupten autoritären Regime aufzubauen. Es kann keine Interessenkonvergenz oder gar eine echte Beziehung geben, die auf gegenseitigem Vertrauen und gegenseitigem Verständnis beruht, zwischen einer rechtsstaatlichen Demokratie – das sind die Vereinigten Staaten – auf der einen Seite und einer korrupten autoritären Diktatur – das ist das Regime von Wladimir Putin.

The Frontline Interview: Vladimir Kara-Murza (Interview mit Michael Kirk vom 25. Juli 2017), PBS Official Site, URL: https://www.pbs.org/wgbh/frontline/interview/vladimir-kara-murza/ (zuletzt abgerufen am 29.6.2022).

Was weiterhin als ungelöstes Dilemma gelten muss, ist also das rechtzeitige Verständnis dessen, was Kara-Mursa wahrscheinlich meint, wenn er sagt, dass es „keine Interessenkonvergenz oder gar echte Beziehung“ geben könne zwischen rechtsstaatlichen Demokratien und „korrupten autoritären Diktaturen“. Wie schwer dieses Verständnis fällt, das zeigen die unentwegten, naiven Entscheidungen demokratisch verfasster Staaten wie Deutschland, dem Putin-Regime durchaus vergleichbare Formationen wie das türkische AKP-Regime zu stabilisieren und zu unterstützen. Ein strukturelles Problem besteht dabei natürlich in der von Kara-Mursa konstatierten (dahingehend aber nicht spezifizierten) „Kurzsichtigkeit“ repräsentativer Demokratien: diese hat natürlich mit dem Blick auf das Ende der eigenen Legislaturperiode zu tun. Teilweise steckt dahinter aber sicherlich auch das zähe Festhalten an traditionellen Sicherheitskonzepten und methodologischem Nationalismus.10

7. Ab wann es zu spät ist: wenn die Freiheit abgebaut ist

Ein weiteres Argument von Kara-Mursa ist sehr wichtig, und dieses sollten sich demokratische Regierungen sehr gut merken, wenn ihnen nicht „nur“ am Selbsterhalt – ergo: an der Aufrechterhaltung der eigenen demokratischen Standards – gelegen ist, sondern auch daran, Aggressionen und Kriegen mit verheerenden Folgen wie dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu verhindern: es gibt eine Schwelle, ab der es zu spät ist. Das fortwährende Ignorieren des Abbaus von Freiheiten und das Prinzip der prinzipiellen Gewaltlosigkeit im Verhältnis zwischen Regierung und Regierten im Inneren eines Landes bleibt nicht folgenlos:

Probably 2014 was a little bit late in trying to draw the line against Vladimir Putin. When Vladimir Putin came to power at the end of 1999, beginning of 2000, he tried to tread very carefully at first. He was testing both Russian public opinion and international public opinion and the views of Western leaders and Western governments to what he was doing. And there was no reaction. When he went after and shut down and destroyed independent national television networks in Russia, there was no reaction. In fact, just a few weeks after the Putin government seized control of NTV, the largest independent TV channel in Russia, he had that famous summit meeting with George W. Bush when he looked into his eyes and got a sense of his soul. This was a few weeks after the takeover of NTV. Two days after the Putin government pulled the plug on the last independent nationwide television network in Russia TVS, in June 2003, two days after that, Putin was treated to a royal reception, literally, of the London Guild Hall with the queen of England and with Tony Blair, the British prime minister. He was praised, and it was all pomp and circumstance. I think he could be forgiven for getting the wrong message that Western leaders really didn’t care about this. (36:00-40:00)

The Frontline Interview: Vladimir Kara-Murza (Interview mit Michael Kirk vom 25. Juli 2017), PBS Official Site, URL: https://www.pbs.org/wgbh/frontline/interview/vladimir-kara-murza/ (zuletzt abgerufen am 29.6.2022).

Auch hier stellt sich wieder die Frage, ob eine kurzsichtige, auf je eine Legislatur verengte Perspektive imstande ist, sich den beschriebenen Herausforderungen zu stellen – oder ob es nicht doch einer konsequenteren, längerfristigeren und werteorientierten Außenpolitik bedarf.

(Teil 8 und Teil 9 sowie der Schluss befinden sich in Überarbeitung und werden in Kürze hier ergänzt).

Fußnoten

1 Im Gegensatz zum englischen Interviewtranskript verwende ich die deutsche Transkription des Namens Wladimir Kara-Mursa.

2 Das komplette Transkript ist zugänglich über die Seite von PBS. Ich habe dies leider erst Monate später bemerkt, nachdem ich bereits selbst die selektierten Stellen transkribiert hatte. Dennoch verwende ich für die Zitate die Transkripte von PBS, die ich bei Bedarf noch etwas erweitert habe. Für weitere Hintergründe und Ergänzungen beziehe ich mich auf übersetzte Beiträge des Nachrichtenportals Dekóder, Sekundärliteratur, aktuelle Pressebeiträge und andere Ergebnisse der Desktop-Recherche.

3 Aufführen: „Niemand spricht Putin“, „In Putins Kopf“, „Der Kreml“, etc.

4 Zum Beispiel hält sich auch das türkische AKP-Regime seit 2002 an der Regierung, was nur drei Jahre weniger ist.

5 Als Sohn des Breschnew-kritischen Journalisten Wladimir Alexeyewitsch Kara-Mursa (1959-2019). Dies entspricht der von Andreas Kappeler beschriebenen, generellen Haltung russischer Herrschaft, nämlich nicht-russischen Adel, Magnaten und Führerpersonen zu russifizieren: darunter viele ukrainische, tatarische und andere Adlige. Analog dazu beschreibt Kappeler die Polonisierung ukrainischen Adels in der westufrigen Ukraine (d.h., westlich des Dnjepr).

6 Weitere Informationen finden sich bei Dekóder (Link).

7 Демократический выбор России, 2001 aufgelöst

8 Союз правых сил, 1999-2008; 2011 wiedergegründet.

9 Ein besonders bekanntes Beispiel bieten die Gezi-Proteste in der Türkei 2013, wo das herrschende Regime ebenfalls ausländische Akteur:innen und „Terroristen“ verantwortlich gemacht hat. Vgl. Gezi Park Protests: Brutal Denial of the Right to Peaceful Assembly in Turkey. Amnesty International, 2013. URL: https://www.amnesty.org/en/wp-content/uploads/2021/06/eur440222013en.pdf (zuletzt abgerufen am 29.6.2022).

10 Auch diesem wichtigen Aspekt kann hier nicht in gebührender Länge nachgegangen werden. Die Suche nach Alternativen zu traditionellen Sicherheitskonzepten soll im Teilbereich Alternative Sicherheit vertieft werden.

Eine Antwort auf „Wladimir Kara-Mursa über Putins Populismus“

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